Bücher und Aufsätze, in denen nach 1945 NS-Ansichten verbreitet oder NS-Untaten verschwiegen, verdreht  oder geschönt werden.

Städte:

KÖLN

Willehad Paul Eckert: Köln - Stadt am Rhein zwischen Tradition und Fortschritt, DuMont, Köln 1976, 360  Seiten

Willehad Eckert, ein Mitglied des Dominikanerordens, hat 1963/64 an der großen Ausstellung „Monumenta Judaica“ in Köln  mitgearbeitet. Er war Katholischer Vorsitzender  des Dachverbandes der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, er war Mitiniator der Buber-Rosenzweig-Medaille.

Mein Gedanke, als ich das Buch in die Hand nahm, war:

 Wenn einer  solche Meriten wie Eckert (im Zusammenhang mit dem  Thema "Judentum") hat (oder haben will), dann sollte in einem von ihm verfassten Buch mit 360 Seiten und mit hunderten Fotos auch  ein Foto der einstigen  Synagoge oder gar EINIGE  Fotos der einstigen  SynagogeN von Köln vorkommen, auch wenn diese heute nicht mehr existieren. Schließlich bringt Eckert ja auch Fotos von vielen anderen Kölner Gebäuden, die zur Zeit der Buchkonzipierung nicht mehr standen, der „Geschichte“ angehörten.

Wie ich dann feststellte, ist  die Befassung Eckerts mit dem Thema "JUDEN in Köln"  für mein Empfinden absolut mager und in den Formulierungen grunddeutsch  :-)

Das Stichwort "Synagoge" kommt im Stichwortregister des Bandes  EINmal vor, mit vor allem kunstgeschichtlichem Bezug. S. 256 f:

"Wir setzen unseren Weg zur Rooenstraße in Richtung Rathenaupark fort. Ihm gegenüber liegt die einzige Kölner SYNAGOGE, die die Kristallnacht und die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges einigermaßen überstanden hat. Wilhelm Emil Schreiterer baute sie 1896/99 gemeinsam mit Bernhard Below im neuromanischen Stil. Die monumental angelegte Vorhalle... ....Bei der Wiederherstellung 1958/59 blieb der äußere Eindruck bewusst gewahrt." (es folgt noch ein wenig Kunstgeschichte).

Erwähnt wird noch, dass in den alten Hauptraum der Synagoge in den 50er Jahren ein Geschoß eingezogen wurde, um einen Gemeindesaal  im Erdgeschoß zu erhalten.

"Diesem ist im Westflügel eine Halle vorgelagert, die als Museum der Geschichte der Juden in Köln insbesondere während der Verfolgung durch das Dritte Reich, dient. Wesentliches Schmuckelement der wiederhergestellten Synagoge sind die großen Ornamentfenster." (256f)

Das Stichwort "Juden"  findet sich im "Orts- und Sachregister" sechsmal.

 Die erste Nennung (wie fast alle weiteren) steht im (inclusive Fotoseiten) neunzigseitigen  Kapitel "Epochen der Kölner Geschichte",  S. 51, und in einem Kontext, den man  "Sozialgeschichte des 14. Jahrhunderts" nennen kann:

"Das plötzliche Auftreten der Poest 1348 suchte man sich wie vielerorts mit der Behauptung zu erklären, die Juden hätten die Brunnen vergiftet. 1349 wurden auch in Köln die Juden vernichtet…..Der Rat unternahm nichts, den Pogrom der Juden zu steuern, zumal manche seiner Mitglieder bei den Juden hoch verschuldet waren und auf diese Weise ihrer Verpflichtungen ledig wurden. Anschließend schlossen der Erzbischof Wilhelm von Gennep (1349 - 1362), dessen Schutz die Juden unterstanden, und der Rat der Stadt einen Vertrag über die Verteilung des Vermögens der Erschlagenen. Für Jahrzehnte hatte man die Juden aus Köln verbannt."

An dieser Passage fällt  die  in Deutschland übliche Redeweise auf: "die Juden" - sie werden fast immer  als eine Art einheitlicher Gruppe präsentiert. Wenn einer einen Brunnen vergiftet haben sollte, dann war es nicht nur dieser EINE, sondern sogleich die GESAMTHEIT dieser religiös definierten Gruppe.

Was mich ebenfalls immer wieder bei der Lektüre von historischen  Texten über das Pestjahr 1348 erstaunt, ist, dass  -zumindest bis vor wenigen Jahren - NIE ein Historiker auf folgende  Frage käme "Wenn es denn hinterbliebene Güter von Toten gab (wozu Häuser gehörten;  wozu auch Schuldscheine gehören konnten), gab es da nicht Verwandte, die doch auch  einen Anspruch darauf hätten erheben können?" -  Immer wieder liest man in historischen Texten, dass die Verfolger locker und ohne jeden Gedanken an eine mögliche  Unrechtmäßigkeit ihres neuen Besitzes  über das Hab und Gut von Ermordeten und Verjagten  verfügen.

Dass dies nicht die ERSTE  Judenvertreibung in Köln war, erfahren wir von Eckert nicht; das muss man sich anderswo anlesen. Die erste bekannte Vertreibung und Ermordung, samt Synagogenzerstörung, war zu Beginn des Ersten Kreuzzugs im 11. Jahrhundert.

Nennung 2: Seite 54. (Kontext: Konflikte zwischen Zünften, Patriziern, Bischof)

Hier erzählt der Autor, dass der Rat der Stadt den jeweils auf zehn  Jahre ausgelegten Duldungsvertrag mit den Juden der Stadt nicht mehr erneuerte: "Die Juden mussten 1424 erneut die Stadt verlassen. Der Dompropst gab zwei Jahre später die Zustimmung, daß an Stelle der Synagoge die auf den Titel Maria von Jerusalem geweihte Rathauskapelle errichtet wurde. Für sie malte Stefan Lochner einen heute im Dom befindlichen Flügelaltar (Abb. 16)"

(Wie wir das von Eckert schon kennen, geht es nun wieder weiter mit KUNSTgeschichte. Keine Andeutung eines Empfindens, dass Vertreibung und Aneignung des Geländes  Unrechtstaten waren – und, wenn es sich um Christen gehandelt hätte, auch so behandelt worden wäre).

Nennung 3 (S. 58, Kontext: "Humanismus"): "Hochstraten förderte den 1505 zum Christentum übergetretenen Juden Johannes Pfefferkorn (+ um 1522), der in den folgenden Jahren eine Reihe Pamphlete gegen seine ehemaligen Glaubensgenossen verfaßte"

Es folgen dann zehn Zeilen über Reuchlins Gutes Wort zugunsten rabbinischer Bücher und über den Streit um die "Dunkelmännerbriefe")

Nennung 4 (S. 62, Kontext: Neuerungen im Gefolge der Eroberung des Rheinlandes durch das revolutionär inspirierte Frankreich): "Seit 1798 waren auch Juden wieder in Köln zugelassen" (das wars hier, dürrer hätte es nicht formuliert werden können)

Nennung 5 (S. 102, Kontext: Museen in der jüngsten Vergangenheit der Stadt:  "1963/64 konnte im Zeughaus die Ausstellung `'Monumenta Judaica' zur Geschichte der Juden am Rhein veranstaltet werden"

(das wars hier)

Nennung 6 (S. 155, Kontext Stadtrundgang

Kapitel 2: „Vom Wallraf-Richartz-Museum zum Heumarkt":

"Der Name Judengasse erinnert uns daran, daß sich hier im Schatten des Rathauses bis zur Ausweisung 1424 das mittelalterliche Judenviertel befand. Nach dem Zweiten Weltkrieg   ist die Mikwe, das Judenbad, freigelegt worden."

Das wars hier. - Typisch für post-NS-Deutschland ist die stereotype Redewendung "nach dem Zweiten Weltkrieg"  - NIE würde man "nach dem Dritten Reich" oder gar "nach der Befreiung vom Faschismus" lesen.  - Bei einem Autor, Mann, der sich für DEUTSCH-JÜDISCHES einsetzt, erwarte ich eine andere Formulierung.

Im „Reise-Hinweis“-Teil des Buchs, S. 330, wird nocheinmal die  einstige Mikwe genannt: "Die Mikwe (Judenbad), Rathausplatz, ist geöffnet sonntags von 10 bis 13 Uhr. Sonst auf Anfrage beim Römisch-Germanischen Museum".

Dass in Köln einer der berühmtesten deutschen judenstämmigen Menschen (Karl Marx) 1842/3 eine zwar nicht lang existierende, aber zu ihrer Zeit deutschlandweit bekannte und später noch berühmtere  Zeitung leitete,  kommt in dem Band nicht vor: Dabei nennt der Band laut Namensregister  über  500 Personen, die nach Ansicht Eckerts etwas mit der Geschichte von Köln zu tun hatten und haben, darunter auch den Denunzianten Pfefferkorn.  - Ich nehme an, dass es sicher noch einige  bedeutende Kölner Juden gab, deren Nennung neben  500 Nicht-Juden nicht viel Platz erfordert hätte (zum Beispiel den Germanisten Hans Mayer).

Obwohl  VOR der Judenvertreibung und -vernichtung des Dritten Reichs gerade in Köln eine der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands bestand,  lesen wir davon null: Nichts von ihren Mitgliedern, nichts von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, nichts von der Vertreibung und Ermordung (außer in einem eingangs zitierten Satz), nichts von den MEHREREN Synagogen.

Mich erschreckt an diesem Buch, dass ein führender Repräsentant der  - sicher nicht  allzu vielen  -  judenFREUNDLICH gesinnten deutschen Katholiken sich auf eine Weise  mit dem Thema „Juden in Köln“  befasst, die sich nicht von dem abhebt, was wir sonst aus vielen deutschen Federn serviert bekommen.


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