Zur Geschichte des Zeitungs- und Druckereigewerbes in Ehingen

EHINGEN. Wenn Ulrike Feger zwischen 1977 und  2004  Schülern aus Ehingen und Umgebung zeigen wollte, wie stark der (gedruckte) Informationsfluss  in den letzten hundertsiebzig Jahren anschwoll, von einem Rinnsal zu einem Strom,  dann führte sie Schüler  und Lehrer in das Zeitungsbände-Archiv des  Verlags Feger im Haus hinterm „Schlössle“ am Ehinger Marktplatz. Ein vollständiger Zeitungsjahrgang von 1834, also alle Zeitungen aus diesem einen Jahr (als Thomas Feger das 1827 gegründete  „Intelligenzblatt für die Oberämter Ehingen und Münsingen“ übernahm), ließ sich zusammenfassen und binden in einem relativ dünnen Buch, von  der Größe und Dicke eines  Schulbuchs.

Wie viel Platz benötigten hingegen die Zeitungen eines Jahres der jüngeren Gegenwart?

Die  gesammelten und gebundenen Zeitungen von nur ZWEI MONATEN des Jahres 2004 (in welchem Jahr Veit Feger noch fünf Monate lang für die Ehinger SZ-Lokalausgabe verantwortlich war), entsprechen ungefähr dem Fünfzigfachen einer GANZjahresausgabe von 1834.

So enorm die gedruckte  InformationsMENGE in  diesen  170 Jahren (von 1834 bis 2004) anstieg, so enorm ist der technische Wandel, der eine solche Vervielfachung der (gedruckten und verteilten) Informationsmengen erst ermöglichte.

Der Wandel erstreckte sich auf jedes Gebiet der Zeitungsherstellung:

a)  auf das Festhalten und Sammeln der Informationen in einer Redaktion, erleichtert durch Geräte wie Schreibmaschine, später Computer, und durch  moderne Informationsübertragungstechniken  wie Telefon, Funk, Fax und inzwischen vor allem den elektronischen Brief („e-mail“)

b)  durch das  rascheren Erstellen  des Zeitungs-„Satzes“ (des Texts)  mittels Computer. Texte, die früher an verschiedenen Stationen (Schreiber, Zeitungsredaktion, eventuell Druckhaus) jeweils neu per Hand und später per Bleisetzmaschine erfasst („gesetzt“) werden mussten, Bilder, die früher mehrere Stationen und Arbeitsprozesse durchlaufen mussten, bis sie im „Blatt“ standen, Bilder und Texte lassen sich seit etwa zwei Jahrzehnten   vom Berichterstatter, in einem kleinen Alb-Dorf,  bis zur großen Druckmaschine,  in einer Großstadt,  transportieren, ohne dass man mehr als den berühmten EINEN  Finger rühren müsste. Eine Unmenge Arbeit kann eingespart werden. Diese Einsparung ist freilich öfters auch von Nachteil, was  die KONTROLLE von Texten und Bildern vor deren Veröffentlichung  betrifft.

c)  durch den rascheren Druck (Walzentiefdruck statt Hochdruck, Übertragung  von Druckdaten direkt auf die Druckwalzen etc.),

d)  infolge der  in völlig anderen Mengen bereitgestellten „Unterlagen“ für den Druck: Papier wird  heute, verglichen mit 1834, in zigtausendfacher Menge produziert, um den Bedarf zu decken,

e)  durch die einfachere und raschere Verteilung der gedruckten Zeitungen per Auto und Lastkraftwagen etc. etc.

Der Text für die  Ehinger Zeitung wurde fast hundert Jahre lang Metallbuchstaben für Metallbuchstaben mühselig zusammengesetzt und die Buchstaben nach dem Druck wieder in ihre „Setzkästen“ ebenso mühselig zurückgeordnet. Das geschah in der personalintensivsten  Abteilung des Verlags, der „Setzerei“, die von Anfang an zu einer „Druckerei“ gehörte, die sich aber im Lauf der verstärkten Computerisierung in den  90er Jahren des letzten Jahrhunderts gewissermaßen „auflöste“. Der „Druck“ war schon Jahrzehnte zuvor an einen zentralen Druckort verlagert worden, weil sich die Anschaffung von effektiv arbeitenden Druckmaschinen erst ab einer Größe  lohnten, die einer der zahlreichen oberschwäbischen „Lokalverlage“ allein gar nicht schultern konnte.

Seit der Erfindung Gutenbergs Mitte des 15. Jahrhunderts gab es zwei revolutionäre Umbrüche bei der Herstellung des Zeitungssatzes, den einen Ende des 19. Jahrhunderts, den anderen Ende des 20. Die ERSTE große Vereinfachung war  die Erfindung der Bleisetzmaschine in den USA durch den aus Deutschland stammenden Ottmar Mergenthaler.  Im Verlag Feger wurde das erste solche fabelhafte „Werkzeug“, das die Produktionskraft eines Mitarbeiters versiebenfachte,  vor etwa hundert Jahren  angeschafft und danach  mehrfach jeweils Fortentwicklung dieser Setzmaschine. Verwendet wurden diese stattlichen Maschinen, jede so teuer wie ein Einfamilienhaus,  in der Ehinger Satz-Herstellung Feger  bis zum Jahr 1981.

Überschriften, aus GRÖSSEREN Buchstaben, oder besonders SCHÖN  zu gestaltende ANZEIGEN-Texte wurden noch bis zuletzt von  HAND gesetzt (und die dafür verwendeten Buchstaben NACH  dem Druck brav wieder zurück in die Setzkästen sortiert).

Mitte der Siebziger Jahre kamen die ersten speziell für den Textsatz entwickelten SetzCOMPUTER auf den Markt. Sie  arbeiteten noch mittels Dia-Scheiben, Projektoren und Fotopapier. Der einzelne Buchstabe wurde per Projektor auf Fotopapier belichtet, das belichtete Papier dann jeweils in einem speziellen Verfahren rasch entwickelt und fixiert. Die zusammengestückelten und aufgeklebten  Fotopapier-Montagen  wurden nach wie vor per Fahrzeug zu einem Druckhaus gefahren.

Seit einigen Jahren bewegen sich zwischen den elektronischen Schreibgeräten auf einem Dorf bei Ehingen, der Ehinger Redaktion und der Druckmaschine in einem zentralen Druckcenter nur noch elektrische Ströme.

Die erste Setz-Computer-Ausstattung der Ehinger SZ-Lokalausgabe im Jahr 1981, für drei Setzer, kostete 250.000 Mark, fast so viel wie ein kleines Einfamilienhaus, wenige Jahre zuvor hatte  eine EINZIGE  Bleisetzmaschine noch fast ebensoviel gekostet. Aber bis Mitte der 90er Jahre hatten die regulären Büro-Personal-Computer die Fertigkeiten der speziellen SATZ-Computer überrundet; dabei  kosteten sie  nur noch Bruchteile der vorausgegangenen Technik-Stufe.

HEUTE  kann ein guter Hauptschüler binnen einiger Stunden alles lernen, was man für die Text-Herstellung einer einfachen Zeitung können muss. In der viereinhalb Jahrhunderte währenden „BLEI“-Zeit war für eine solche Fertigkeit  eine mehrjährige Ausbildung nötig, eine Ausbildung, die nicht nur  Maßeinheits-,  Mathematik-, Deutsch-, Technik- und Materialkenntnisse einschloss, sondern auch  viel „schlichtes“ Training enthielt, Training in der Fertigkeit, einigermaßen flott aus Setzkästen mit etwa hundertzwanzig  verschiedenen Fächern und Fächlein den jeweils benötigten Buchstaben klein oder groß, die Satzzeichen, die Zahlzeichen, weitere Sonderzeichen und vor allem das Wortabstands-Füllmaterial gewissermaßen „blind“ herauszufischen, zu Worten und Sätzen zusammenzusetzen und später die verwendeten Buchstaben wieder ebenfalls „blind“ in das jeweilige Fächlein zurücksortieren.

Eine einzige Zeitungsseite bestand entsprechend  aus mehreren tausend Einzelteilchen, wobei der Durchschnittsleser heute gar nicht an die Füllung der (nichtdruckenden) Hohlräume zwischen den Buchstaben denkt: Das waren Metallteile ebenfalls in den verschiedensten Größen und Formen. An der Schreibmaschine und am Computer ist das Erzeugen eines Wort-Abstands  nur ein Druck auf die „Leer“-Taste.

Äußerste Vorsicht war früher geboten, wenn man mit einer solchen geordneten Sammlung von tausenden winzigen Teilchen hantieren musste. Die entsprechenden Behälter, sogenannte Schiffe, waren schwer und sperrig. Es kam vor, dass einem Lehrling ein solches Schiff verrutschte oder gar entglitt -  dann war die Arbeit von vielen Stunden, vielleicht Tagen, unbrauchbar.

Weil die Anforderungen an die beruflichen Kenntnisse so hoch waren, war der Beruf des Setzers bis zum Ende der „Blei-Zeit“ den Klassenbesten des jeweiligen Volksschul-Abschlussjahrgangs vorbehalten. In der großen Zeit der Arbeiterbewegung zwischen 1850 und 1950 kamen viele Redakteure von Gewerkschafts- und  Parteizeitungen aus dem Setzer-/Druckerberuf.

Die intensive Qualifizierung bis zum „fertigen“ Setzer hatte zur Folge, dass diese Fachleute sehr  gesucht waren; sie blieben auch meist lange im selben Betrieb. Der Verfasser dieses Textes kannte in seiner Kindheit, um 1950,  als ältesten Mitarbeiter in der Druckerei Herrn Kalischek: Der hatte  in der Firma Feger  schon während des (1918 zu Ende gegangenen) Kaiserreichs gearbeitet  Und von den beiden letzten Technikern der Ehinger Schwäbischen Zeitung, die noch die alte Bleisatz-Technik erlernt hatten,  war einer, Gustav Schubert, seit seiner Lehre Anfang der 60er Jahre im Ehinger Zeitungsverlag Feger tätig gewesen. Erinnert sei hier noch an einen langjährigen  Maschinensetzer der Firma,  Alfred Klumpp: Er war Anfang der Fünfziger Jahre Vorsitzender des Blasmusik-Bezirksverbandes.

Noch ein Wort zum ZeitungsDRUCK. Die ersten neunzig Jahre ihres Bestehens wurde die Zeitung für den Raum Ehingen in Ehingen selbst, in der Druckerei Feger, gedruckt. Seit etwa 1920  aber werden  Zeitungen auf riesigen Maschinen gedruckt; es ist sehr viel billiger (wie in den meisten Fertigungsprozessen heute) die Herstellung zu zentralisieren und das Ergebnis dann mit Hilfe der  modernen Verkehrsmittel und der billig vorhandenen Kraftstoffe  zu VERTEILEN. Die beiden derzeitigen Ehinger Tageszeitungen werden in Ulm bzw. in Weingarten gedruckt, für den Druck von 6.500 Exemplaren werden etwa 20 Minuten benötigt.

Die Zusammenfassung des Drucks von verschiedenen örtlichen Zeitungsausgaben in Oberschwaben nicht mehr dort, wo der Text verfasst und gesetzt worden war, sondern an einem  EINZIGEN Druckort, kombiniert mit der Erstellung eines überregionalen (politischen) Textteils ebenfalls an einem einzigen, zentralen Ort, begann etwa zeitgleich mit der  fortgeschrittenen Motorisierung zu Beginn der Weimarer Republik. Damals errichtete ein Dutzend oberschwäbischer „Lokalverleger“ (einer davon die Ehinger Verlegerfamilie Feger) in Friedrichshafen eine zentrale Druckerei für lokale wie überlokale Nachrichten und eine zentrale Redaktion für überörtliche Politik-, Wirtschaft-, Sportbezogene  Nachrichten. Die Druckmaschinen wurden dann  während des Zweiten Weltkriegs weg von dem von Bomben bedrohten Friedrichshafen in das  kaum industrialisierte und daher kaum bombenbedrohte Leutkirch im Allgäu verlegt. Nach wie vor aber entstand der ZeitungsSATZ an den einzelnen Verlagsorten, und so auch in Ehingen.   -  Zu der zentralen Druckerei, zunächst in Friedrichshafen, dann Leutkirch, wurden arbeitstäglich am frühen  Abend Druckvorlagen aus den einzelnen Lokalverlagsorten gebracht, unter anderen eben auch aus Ehingen, und im Lauf der Nacht per Lkw zurück in die Herkunftsorte, auch nach Ehingen, befördert. Ab Ehingen erfolgte die Verteilung dann  per Eisenbahn, Postbus,  per  FAHRRAD oder gar noch zu Fuß  in umliegende Dörfer und dort an die einzelnen Abonnenten.

Bevor es die gemeinsam von den Lokalverlegern finanzierte Friedrichshafener Druckmaschine gab, wurde die Ehinger Tageszeitung VOLLSTÄNDIG  in den Räumen der Firma im Haus hinterm „Schlössle“ gedruckt.

VOR  der Elektrifizierung vor gut hundert  Jahren wurde die für den  Betrieb einer Druckmaschine (statt der ursprünglichen Ein-Blatt-Handpresse)  nötige Energie von einem Pferd „erzeugt“. Dieses drehte,  ständig im Kreis gehend,  einen sogenannten Göpel;  die Kreisbewegung wurde durch lange Lederbänder vom Göpel-Raum des Druckereigebäudes in den Druckmaschinen-Raum übertragen. An jener  Stelle, an der heute die Ehinger Schwäbische Zeitung redaktionell und satztechnisch hergestellt wird, stand bis 1960 ein Gebäude für Pferd, Göpel, Druckmaschinen, Büroräume, Formular-Lager und, man staune!, für das Trocknen von Hopfen. Zur Erklärung: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es für einige Jahrzehnte in Ehingen  - und auch anderswo außerhalb der berühmten traditionellen Hopfenanbaugebiete Tettnang und  Hallertau -  den Versuch, Geld  mit dem Anbau und Verkauf von HOPFEN  zu verdienen. Daran beteiligte sich auch der damalige Ehinger Zeitungsverleger Carl Louis Feger. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Mitglieder der Zeitungsmacherfamilie auch Buchhändler, Weinhändler und Gastwirte in Ehingen (vermutlich, weil EIN Standbein fürs auskömmliche wirtschaftliche Überleben noch nicht genügte).

Der finanzielle Aufwand für die Erstausstattung einer Druckerei mit Schriften, Schriftkästen, Druckmaschine war  hoch, völlig anders als heute, wo (vom Druck abgesehen) bereits die meisten  Privathaushalte über  Geräte verfügen, die man für die Erstellung des Texts  einer Zeitung benötigt. Daher muss man fragen: Wie kam  überhaupt das Kapital zusammen, mit dem man  die nötigen Geräte und vor allem die teuren Schriften kaufen konnte; jede Schrift, egal welcher Größe und welcher Form, benötigte ja tausende Buchstaben aus Metall oder Holz oder aus einer Kombination beider Werkstoffe.

Der aus Schaiblishausen stammende Bauernbub Thomas Feger, 1799 geboren,  hätte wohl weder das Geld für die nötige Berufsausbildung noch das nötige Kapital für die Errichtung einer Druckerei aufgebracht. Für ihn war es ein Glücksfall, dass der – aus Weingarten stammende -  Gründer der ersten Tageszeitung in Ehingen im Jahre 1834 starb und der Zeitungsverlag zum Kauf stand. - Der GRÜNDER des Ehinger „Intelligenzblatts“, Häfele, hatte seinen Weingartener  Zeitungsverlag aufgeben müssen, weil  sein Redakteur Leicht, ein Neffe des berühmten Gehirnforschers Gall, (regierungs-)kritische Texte geschrieben hatte (und im damaligen Zentralgefängnis auf dem Hohen Asperg landete). (Diese Angaben  verdankt der Verfasser dieses Aufsatzes  dem  Weingartener Lehrer und Historiker Werner Heinz).  - Dass Häfele von Weingarten nach Ehingen kam, mag mit alten Verbindungen aus der vorderösterreichischen Zeit  zusammenhängen: Das vorderösterreichische Territorium  „Landvogtei Schwaben“ hatte einen Verwaltungssitz in Weingarten. Zudem stammte  der  damalige Ehinger Oberamtsarzt (und Schriftsteller) Wagemann (mit Thomas Feger verwandtschaftlich verbunden)  aus Weingarten.

Dass Thomas Feger  als Bauernkind vom Dorf  eine Ausbildung im Bereich Buch/Druckwesen/Verlag erhielt, das verdankt sich der Familiensage nach  dem Umstand, dass Thomas Fegers Heimatdorf Schaiblishausen zur Pfarrei Kirchbierlingen gehörte und dass diese Kirchengemeinde damals im Obermarchtaler Ex-Abt Friedrich Walther einen  aufgeschlossenen  Pfarrer besaß, der dem jungen Thomas eine nicht-dörfliche  Ausbildung ermöglichte. Thomas Feger verlegte dann 1835 als eines seiner ersten Bücher die von Prälat Friedrich von Walther verfasste Geschichte des Klosters Marchthal (Das Buch   wurde  150 Jahre später erneut aufgelegt, vom Buchauer Federseeverlag, als Nachdruck,  erweitert um Erläuterungen durch den früheren Munderkinger Realschulrektor Dr. Nuber).

Zahlreiche Klöster waren im 18. Jahrhundert  reich, sie verwendeten ihren Reichtum (anders als es manche Übelwollende meinen) nicht nur für die Anschwemmung von Bierbäuchen unter ihren Insassen, sondern auch für wirtschaftlich sinnvolle Investitionen: So kam das Kapital für die weitum (wenn man von einem Zentralort wie Ulm absieht) erste Druckerei unseres Raumes,  in Riedlingen,  Mitte des 18. Jahrhunderts,  aus dem damaligen Reichsstift Zwiefalten. Der dortige Zeitungsgründer Ulrich stammte aus Ehingen; er begründete in Riedlingen eine der längstwährenden deutschen Zeitungsverlegerfamilien (Die Ulmer Verlegerfamilie Ebner und die Ehinger Verlegerfamilie Feger reichen nicht so weit zurück; inzwischen sind aber die Riedlinger Verlegerfamilie Ulrich / Haag und die Ehinger Familie Feger aus diesem ihnen gewissermaßen „angestammten“ Metier ausgeschieden).

Thomas Feger leitete nicht nur jahrzehntelang die erste Ehinger Tageszeitung, er überstand auch ein Konkurrenz-Unternehmen, das während des sogenannten Vormärz (dem Vorspiel der 48er-Revolution) in Ehingen gegründet wurde. Diese Konkurrenz hatte  aber so wenig Fortüne wie die damalige deutsche parlamentarische Bewegung überhaupt. Es blieb bei den „alten Mächten“.

Thomas Feger wollte gar in den Fünfzigern des 19. Jahrhunderts die erste (Rottenburg-)diözesanweite Kirchenzeitung gründen, man darf wohl sagen: einen Vorläufer des heutigen „Katholischen Sonntagsblatts“. Aber das zuständige Ministerium in Stuttgart erteilte Thomas Feger  nicht die (in den damaligen Zensurzeiten nötige) Zustimmung. In Stuttgart hielten die zuständigen Herren Thomas Feger vermutlich  für zu konservativ (Diese familiengeschichtliche Einzelheit verdanke ich dem freundlichen Friedrichshafener Stadtarchivar Wieland, der in Ehingen das Gymnasium besucht und eine Geschichte des Konvikts verfasst hat).

Für den thomas-fegerschen Stock-Konservativismus gibt es einen peinlichen  Beleg: Während der 48er-Revolte forderte der ZEITUNGSverleger Feger tatsächlich eine SCHÄRFERE ZENSUR. Es ist  sicher nicht gerade häufig, dass ein ZEITUNGSmacher ZENSUR  FORDERT. - Ironie des Schicksals: Dem als UNTERNEHMER wagemutigen Ehinger Verleger wurde zehn Jahre nach 1848 sein anspruchsvoller Sonntagsblatt-Plan  durch die Anwendung eben jenes von ihm früher ERWÜNSCHTEN  staatlichen Zensur-Rechts  zunichte gemacht.

Entsprechend der bäuerlichen  Herkunft und dem kleinstädtischen Arbeitsort des Verlegers und seiner Nachkommen war der inhaltliche Stil der Ehinger Tageszeitung konservativ, monarchisch, obrigkeitlich. Die Ehinger SPD-Zeitschrift „Rotes Füchsle“ erhielt  ihren Namen nach dem Satz, mit dem der Ehinger Zeitungsverleger  C. L.  Feger die sich vor hundert Jahren  in  Ehingen grade formierende Arbeiterbewegung ängstlich umschrieb:   „Der rote Fuchs geht um.“

Ein Beispiel für den eher Unpolitischen, ganz und gar obrigkeitsorientierten Charakter der damaligen Ehinger Zeitung mit dem Namen „Volksfreund für Oberschwaben“: Wenn vor hundert Jahren Königs Geburtstag in Ehingen öffentlich mit Aufmärschen etc. etc.  gefeiert wurde, dann wurde   dieses Ereignis  in der damaligen Tageszeitung, die ja einen viel kleineren Umfang als heute hatte,  im Umfang einer ganzen Zeitungsseite dargestellt und gerühmt.

Katholische deutsche Bürger engagierten sich im Kaiserreich und in der Weimarer Republik politisch in der Zentrumspartei. Deren Kombination aus Konservativismus, Nationalismus und Biederkeit, garniert mit einem Hauch sozialer Einstellung, verhinderte gegen Ende dieser ersten deutschen Republik, dass  viele  Wähler in katholischen Gegenden Deutschlands in ebenso hohem Ausmaß  wie protestantische  Wähler in  die NSDAP marschierten oder wenigstens: für sie votierten. Der Verleger der Ehinger Tageszeitung im Jahre 1933, Carl Louis („Ce-Louis“) Feger (Enkel von Thomas, Vater von Ludwig Feger, Großvater des letzten Lokalverlegers Veit Feger), war nicht nur Vorsitzender mehrerer Vereine in der Stadt, voran des Liederkranzes, sondern auch Mitglied der Zentrumsfraktion im Ehinger Gemeinderat. Diese  Parteibindung hatte zur Folge, dass C. L. Feger (wie andere Zentrumsgemeinderäte 1933) seinen Sitz im Gemeinderat von einem Tag auf den anderen verlor. Diese schnöde Behandlung plus die Enteignung der Zeitung durch die örtlichen Partei-Oberen im Sommer 35 war für die Familie fast eine Katastrophe; sie hatte aber, aus der Zeit NACH dem Dritten Reich betrachtet, eine positive Seite, diese nämlich, dass der  Lokalverleger nicht VÖLLIG bruchlos in die Ideologie der neuen Herren abtauchte und nicht mit der selben Begeisterung wie anderswo an der volksweiten Verdummung und Verhetzung durch Zeitungsorgane VERANTWORTLICH  beteiligt war.

Der Familie Feger wurde, weil sie noch immer zu „schwarz“ statt genügend „braun“ war, Mitte der dreißiger Jahre von einem Tag auf den anderen das Verlagsrecht entzogen. Indes,  dank eines verwandtschaftlichen Kontakts ins „Braune Haus“ in München, erhielt die Familie wenigstens das Recht, die handwerkliche Arbeit für die Zeitungsherstellung in Ehingen im Lohnverfahren auszuführen, also: Todesanzeigen setzen, Zeitungstexte setzen. Die beiden Eheleute Ludwig Feger, von der Ausbildung her Diplomvolkswirt und Setzergeselle,  und seine Frau Ida geborene Mantz, ebenfalls  Kind eines  damals abgehalfterten Zentrumspartei-Gemeinderats, dachten damals an eine  Auswanderung in die USA.

Ludwig Feger war während der gesamten Zeit des Zweiten Weltkriegs zur Reichswehr eingezogen, aber trotz Akademikertitels und sportlicher Talente war er nie in höherem Militär-Rang als dem eines Gefreiten.

Während der Ehemann Ludwig Feger  noch in US-Kriegsgefangenschaft war, begann seine Frau Ida bereits  im Spätsommer  45 mit der Erstellung eines neuen Ehinger Text- und Anzeigenteils und mit dem Aufbau eines neuen Zusteller-Netzes. Ida Feger schloss sich dann  einer Gruppe um  Friedrichshafener und Ravensburger Zeitungsverlegerfamilien an – es war die selbe  Ausrichtung wie schon nach dem ERSTEN Weltkrieg Richtung SÜDEN,  ins katholische  Oberschwaben, weg von Ulm, das im konservativen Ehingen immer noch mit unerwünschtem Protestantismus und Liberalismus identifiziert wurde (ob  „Ulm“ und „liberal“ damals noch zu Recht gleichgesetzt werden durften,   ist eine andere Frage).

Der Verlag Feger gehörte wegen seiner katholischen Orientierung im dritten und letzten Drittel  seines Bestehens, seit 1945,  zum „Schwäbischen Verlag“ mit Sitz in Leutkirch und zur von diesem Verlag  herausgegebenen  „Schwäbischen Zeitung“.

Zunehmende wirtschaftliche Probleme im Zeitungswesen (vor allem infolge eines geringer werdenden Anzeigenaufkommens), dazu insgesamt ein (beschönigend formuliert:) „Stilwandel“ des privaten Wirtschaftens in der Bundesrepublik führten auch im Schwäbischen Verlag zu einer verschärften Zentralisierung und zu einem anderen „Zeitungsstil“ als zuvor. Veit Feger hatte  nach dem Studium in Tübingen, München und Frankfurt (u. a. bei Ernst Bloch, Ralf Dahrendorf, Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas) in der selben Art wie schon sein Vater, sein Groß-, Urgroß- und Ururgroßvater die Führung des Verlags und der Redaktion in seiner Person vereint; er hatte im etwa seit der Jahrtausendwende  neu strukturierten „Schwäbischen Verlag“  keinen richtigen Platz mehr und verkaufte seinen Verlagsanteil im Jahre daher im Jahr 2004.Veit Feger war damals bereits schon lange  der letzte Lokalverleger im Bereich der Schwäbischen Zeitung  gewesen, der organisatorische und redaktionelle Leitungstätigkeit vereinte. Mit seinen engagierten Redakteuren Wolfgang H. Schmid, Wolfgang Spieß,  Christian Geiselmann und Siegfried Denzel war die Ehinger Schwäbische Zeitung zwischen 1980 und 2004  - verglichen mit dem, was Lokalzeitungen sonst liefern – eine erstaunlich intensiv recherchierte, kritische Tageszeitung. Gewürdigt wurde dieser Zeitungsstil nicht sonderlich, nicht einmal von der Mehrzahl der Leser. Aber:  Wer liebt schon Kritik?!

Zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts: Thomas Feger stellte  nicht nur die Tageszeitung für das  „Oberamt“ (den Vorläufer des späteren „Landkreises“) Ehingen und zeitweilig auch für das Oberamt Münsingen her, er gab auch eine Reihe Bücher heraus. Bücher wurden eine Tradition des Druck- und Verlagshauses Feger, die - in begrenztem Umfang -  in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts und in den ersten Jahren nach dem Dritten Reich fortgeführt wurde. Das Tagesgeschäft namens  Zeitung war aber drängender und  auch lukrativer und setzte sich daher gegen den Buchdruck-Bereich durch; der Buchbereich wurde ebenso zugunsten der Tageszeitungsarbeit vernachlässigt wie der sogenannte Akzidenzbereich  (von accident - fallweise vorkommend, je nach Bedarf, also etwa Rechnungsformulare, Hochzeitseinladungskarten, Sterbebildchen, Plakate, Eintrittskarten etc.). Folge:  im Akzidenzbereich entstanden in Ehingen zwei andere Druckereien, die von der fegerschen Zeitungs-Orientierung profitierten und die ausschließlich  „Akzidenz“ herstellten.

Die Veröffentlichungsform  „Buchdruck“ klang in der Druckerei Feger aus in der  Herstellung von sogenannten Festschriften. Diese kamen  in  der Mitte des 19. Jahrhunderts auf und waren  über hundert Jahre hinweg beliebt als Programm-Hefte  und (mittels der in ihnen ebenfalls enthaltenen) Firmen-Inserate als Verfahren zur Finanzierung von großen Vereinsfesten.  In den vergangenen  zwei Jahrzehnten scheint diese früher für fast  jedes große Dorffest beliebte Publikationsform  ziemlich  im Rückgang begriffen. Wer heute werben will, tut dies durch Prospekte und zunehmend durch einen Internet-Auftritt.

Noch einige Beispiele für die erwähnte Produkt-Art „Akzidenz“: Hochzeitseinladungs-, Trauerbenachrichtigungskarten, Behördenformulare, mit Firmenzug bedruckte Briefhüllen, Quittungsformulare.  Die Mehrzahl dieser verschiedenen Formen bedruckten Papiers wird heutigentags mittels Computern und sogenannten Druckern erstellt. Die letzten „Akzidenzen“ , die bei Feger noch echt gedruckt wurden, waren Sterbebildchen.

Während es über viele Jahrzehnte  lang in Ehingen zwei Druckereien gab, eine am Glockenplatz (Fischer), eine am Marktplatz (Feger), gibt es inzwischen nur noch einen einzigen „grafischen Betrieb“ in Ehingen, ausgesiedelt in das Gewerbegebiet nördlich der Kernstadt; dieser Betrieb  entstand in Schelklingen und verlagerte seinen Sitz von dort vor einigen Jahrzehnten nach Ehingen.

Nach wie vor gibt es in Ehingen zwei Tageszeitungen, eine als Produkt des Schwäbischen Verlags (mit Sitz in Leutkirch) und eine als Produkt der Südwestpresse Ulm.

Veit Feger

 

 

 


Thomas Feger, in einem repräsentativen Gemälde aus der Mitte des 19. Jahrhunderts; der Verleger und Buchdrucker hält „standesgemäß“ ein Buch in der Hand.

 Foto: Archiv Familie Feger

Veit Feger

eMail:  Veit.Feger@t-online.de

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