Nachruf auf Wolfgang Schmid
Wolfgang H. Schmid (2014) Foto: Veit Feger
August 2022
Freiburg / Oberprechtal / Munderkingen / Ehingen (vf) – In einer Freiburger
Klinik ist am Samstag, 20. August 2022, der aus Munderkingen stammende,
jahrzehntelang für die Ehinger Schwäbische Zeitung als Redakteur tätige Wolfgang
Hermann Schmid nach kurzer Krankheit an den Folgen eines Gehirnschlags
gestorben.
Wolfgang H. Schmid wurde am 22. März 1950 als Sohn des Munderkinger
Gerbermeisters Hermann Schmid und dessen Ehefrau Ignatia („Ina“) Schmid (geb.
Fischer) geboren. Die Schmids waren eine alte Gerberfamilie der Donaustadt,
einige von ihnen waren auch politisch engagiert. So brachte es ein Vorfahr des
jetzt Verstorbenen im 19. Jahrhundert bis zum Regierungschef des Königreichs
Württemberg; der Stiefvater von W. H. S. war zeitweilig Bürgermeister seiner
Heimatstadt.
Der Vater von W. H. starb, als dieser noch ein Kind war. Der Bruder des Vaters,
Vent, ehelichte dann die Witwe mit ihren drei kleinen Söhnen Wolfgang,
Bonaventura und Joachim.
Wolfgang besuchte die Munderkinger Realschule; er war dort Schüler des einst
bekannten Schulleiters und Heimatforschers Dr. Winfried Nuber; W.H. legte dann
an einem Ulmer Gymnasium das Abitur ab. Er studierte an der Universität Freiburg
Germanistik und Geschichtswissenschaft „fürs Lehramt“; sein verehrter Lehrer
dort war Heinrich August Winkler. Der Munderkinger schloss sein Studium ab mit
dem Staatsexamen und einer Untersuchung über das badische Beamtentum in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. - Einige Jahre führte W. H. den vom
Stiefvater übernommenen Lederhandel und löste dann diese traditionsreiche Firma
auf.
Für ihn wie für die Ehinger Schwäbische Zeitung und ihren Verleger und
Redaktionsleiter Veit Feger war es eine glückliche Fügung, dass Wolfgang S und
Veit F (Cousins zweiten Grades) zu einander fanden. Ab Mitte der achtziger Jahre
arbeitete W. Schmid hauptberuflich als Redakteur der Ehinger SZ und er arbeitete
über das Ausscheiden von Veit Feger aus dem Schwäbischen Verlag im Jahr 2004
hinaus noch einige Jahre für den dann von der SZ-Zentrale straffer geführten
Ehinger Zeitungsverlag.
Es war in den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts naheliegend, dass W.H. als
Munderkinger „von der Pike auf“ sich um alle Munderkinger Zeitungsthemen
kümmerte und viele Jahre lang alle Gemeinderatssitzungen seiner Heimatstadt
ausführlich „bediente“ (und auch, wenn nötig, kommentierte). Er forschte auch
zur Munderkinger Geschichte und veröffentlichte die Ergebnisse teils als
Vortrag, teils in der Ehinger SZ.
Größte Bedeutung aber für die Ehinger Zeitung (und, wenn man so will, auch für
den Raum Ehingen selbst) hatte Wolfgang Schmid durch seine Recherchen einerseits
zu lokalen „Größen“ wie Anton Schlecker und dessen Drogerie-Konzern oder den
einstigen Bauunternehmer und CDU-Fraktionschef Albert Ackermann, andererseits
durch seine intensiven, über Jahre währenden Recherchen zum Nationalsozialismus
in Ehingen und Umgebung. Dank dieser Arbeiten, die „wh“ bis in Berliner Archive
führte, wurde erstmals in Ehingen (und wohl sogar in weiten Teilen
Oberschwabens) der Nationalsozialismus und seine Aktiven vor ORT, in der
„Provinz“, auf dem Flachen Land, untersucht und ausführlich dargestellt. Das
geschah eben nicht in einer abseitigen Historiker-Zeitschrift, die kaum einer
liest, sondern in der meistverbreiteten Zeitung des Raums Ehingen. -
Redaktionsleiter Veit Feger war froh, in „wh“ einen so engagierten
Geschichtsforscher und -darsteller gefunden zu haben und unterstützte diese
Recherche- und Schreib-Arbeit in jeder Hinsicht. Veit Feger sagte zu seinem
Mitarbeiter: „D°e°i°n°e Arbeit hat J°a°h°r°e des Erscheinens dieser Zeitung
gerechtfertigt.“
Wolfgang Schmid schrieb nicht nur den ersten größeren veröffentlichten Text über
den Lynchmord an einem jungen polnischen Zwangsarbeiter 1945 am Ehinger
Groggensee, sondern auch über mehrere ähnliche Morde im Raum Ehingen, u.a. in
Granheim. Er stellte auch erstmals einen Massenmord an KZ-Insassen im Wald bei
Frankenhofen dar. - WH erforschte und schilderte auch, was aus einstigen Ehinger
NS-Häuptlingen n°a°c°h 1945 wurde. - Ein Teil dieser Aufsätze wurde von dem
Ehinger Historiker Dr. Christian Rak zwei Jahrzehnte später für seine Website
über die NS-Zeit in Ehingen kopiert
https://www.ns-ehingen.de/forschung/fruehere-forschungen/
Ein wenig ist digitalisiert auch hier
Der verlegerische Nachfolger von Veit Feger nützte die Recherchefähigkeit von W.
H. Schmid nicht mehr so wie der frühere Verleger. Mit V. Feger ging 2004 die
seit 1834 währende Zeitungstradition der Familie Feger zu Ende. Die schönste
Würdigung, die dem einstigen „Zeitungsmacher“ VF zu seinem siebzigsten
Geburtstag im Jahr 2014 zuteil wurde, wurde von seinem einstigen Redakteur wh
geschrieben und erschien in der Konkurrenz-Zeitung der SZ, in der Ehinger
Ausgabe der Südwestpresse Ulm.
Zum Privatleben von wh ist nachzutragen, dass W. H. Schmid lange Jahre mit
Oberstudienrätin (und Grünen-Aktiven) Brigitte Schmid (geb. Butter, aus
Kirchbierlingen) verheiratet war. Aus der Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn
hervor. Der Sohn (mit dem Familientraditionsvornamen Bonaventura, kurz Vent)
wurde Arzt und konnte als in Freiburg erfolgreicher Notfall- und Herzspezialist
viel für den von ihm geliebten, hinfällig gewordenen Vater tun.
Im Ruhestand zog W. H. Schmid fort von seinen geliebten Zebu-Rindern und Schafen
(die er in einem weitläufigen Wiesengelände an der Munderkinger Venturen-Quelle
gehütet hatte). Er zog auch fort von seinem Elternhaus mit der bis zur Gegenwart
noch bestehenden Gerberei-Einrichtung. An diesem Gebäude-Komplex hing Wolfgang
Schmid sehr; er musste aber (aus Erbgründen) im Frühjahr 2022 verkauft wurde.
Diese Gebäude am Munderkinger Haldenweg werden wohl abgebrochen werden und einer
Wohnbebauung Platz machen. W.H. Schmid war schon zuvor in die Heimat seiner 2019
in Munderkingen verstorbenen Mutter gezogen, nach Oberprechtal im Schwarzwald.
Dort hatte Wolfgang als Kind die wenigen glücklichen Tage seiner Kindheit
verbracht und hatte immer eine romantische Neigung für dieses Dorf behalten. -
Oberprechtal liegt nahe zum Wohnort eines anderen früheren SZ-Mitarbeiters, des
aus Griesingen stammenden, Europa-weit tätigen Liebherr-Fotografen Willi
Wilhelm; dieser kümmerte sich liebevoll um den einsam gewordenen wh. In
Oberprechtal ereilte den einstigen Munderkinger ein zum Tode führender
Gehirnschlag.
Als Würdigung darf zusammenfassend über den jetzt Verstorbenen gesagt werden:
Im höchsten Maße hat sich W. H. Schmid in den Neunziger Jahren durch seine
Forschungen und Veröffentlichungen zum Thema „Nationalsozialismus in Ehingen und
Umgebung“ verdient gemacht. Man darf ihm hier für Oberschwaben insgesamt eine
besondere Bedeutung zusprechen.
Veit Feger (früher Verleger und Redaktionsleiter)
siehe auch: Wolfgang H. Schmid: Der Beginn der NS-Herrschaft in Ehingen
eMail: Veit.Feger@t-online.de