Serie Blick ins Museum:

 

Ein nachdenklicher  Ritter des Herrn.......

(2009 – 2020)

Man kann das Ehinger Museum  "gegen den Strich" besichtigen.  Man muss nicht der durch die Ausstellungsmacher vorgegebenen Anordnung folgen; man kann beispielsweise mal schauen: "Wie sehen Ideal-Frauen und Ideal-Männer früherer Zeiten aus?" Oder: "Welchen Gesichtsausdruck zeigen früher lebende Menschen?" oder: "Was gibt es für reizvolle technische Details?"

In dieser Serie übers Heimatmuseum wurde bisher unter anderem das Gesicht einer hübschen  Niederadeligen des 19. Jahrhunderts vorgestellt;  es wurde auch ein relativ jugendlicher Kaiser des Heiligen Römischen Reichs aus dem 18. Jahrhundert  gezeigt - und jetzt sehen wir auf unseren Fotos einen nachdenklichen jungen Ritter aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts. Diese Figur  steht in der einstigen Kapelle des einstigen Spitals, die jetzt ja zum Museum gehört. Wir haben zum Vergleich noch weitere  Georgsfiguren aus der selben Zeit  hinzugefügt und das Foto eines weiteren heiligen Soldaten, für den es ein vergleichbares Kunstwerk in unserem Raum gibt, in der Blienshofer Mauritius-Kapelle.

Jetzt und hier also dieser Museums-Georg, vermutlich  eine Arbeit aus der sogenannten Ulmer Schule. Aus Holz geschnitzt und dann farblich  gefasst.

 Heilige George waren einst ein beliebtes Motiv in Kirchen, Kapellen und sonstigen (religiös beeinflussten Orten. Meist wurden diese heiligen Soldaten, ja RITTER,  hoch zu Ross mit der Lanze in der Hand dargestellt. Dieser Ehinger  Georg steht mit seiner Lanze recht nachdenklich da, ganz und gar nicht auf Attacke orientiert, sein Gesichtsausdruck und seine Körperhaltung können  sogar als gelangweilt oder traurig empfunden werden.  - Dass wir ihn fotografieren und auf dieser Website das Foto zeigen durften, erlaubte mir  freundlicherweise der damalige Vorsitzende der  leihgebenden OEW, der frühere Alb-Donau-Landrat Heinz Seiffert.

"Ulmer Schule" - was will das sagen? -  Infolge des Münster-Baus und seiner Ausschmückung siedelten sich in Ulm im 15. und 16. Jahrhundert (bis zum protestantisch motivierten Bildersturm  um 1530) zahlreiche Künstler an, teils von weit  her. Arbeiten dieser Künstler wurden nicht nur in Ulm selbst bestellt und aufgestellt, sondern auch über hunderte Kilometer  hin geordert, transportiert, bezahlt, zum Beispiel   bis  nach Südtirol und Graubünden. Religiös gestimmte Arbeiten von Ulmer Malern und Bildhauern waren also  weitum nachgefragt. 

Kaum eine Stadt in Deutschland hatte um 1500 so viele exzellente Künstler (mit Gesellen etc.) in ihren Mauern wie Ulm. In manchen  Kirchen unseres engeren  Raums finden sich auch heute noch Zeugnisse aus der Hand von Ulmer Künstlern. Berühmt ist der sogenannte Acker-Altar in der Rißtisser Friedhofskapelle. Viele Zeugnisse der Ulmer Schule finden sich auch in der Pfarrkirche Oberstadion oder der Pfarrkirche Ersingen. Der Oberstadioner  Ortsadel hatte für seine Kirche solche Kunstwerke in Ulm gekauft.  "Ulmer Schule" von hoher Qualität findet sich zum Beispiel auch in der Pfarrkirche der dörflichen Gemeinde Bingen nördlich Sigmaringen. Nun, auch das Ehinger Heimatmuseum besitzt solche Ulmer Kunst. Hier also ein Heiliger Georg, der den Drachen zu seinen Füßen mit einer Lanze  in Schach hält.

 

Zwei berühmte christliche Helden mit einer Lanze in der Hand.........

Meist wird, wie erwähnt,  Georg hoch zu Ross dargestellt, aber es gibt auch die Verbildlichung (wie im Ehinger Museum)  des folgenden Typs:  Der Heilige steht auf dem Boden  und bekämpft entweder mit dem Schwert oder mit einer Lanze einen "Lindwurm".  Klar:  der Heilige BESIEGT diesen Drachen. 

Ein anderer berühmter Drachentöter der abendländischen Bild-Geschichte ist der Erzengel MICHAEL,  der den Höllendrachen Luzifer besiegt.  Michael hat als ein (geflügelter) Engel  kein Pferd unter sich. Einen solchen Heiligen Michael, der  mit einer langen Lanze arbeitet, gibt es in EHINGEN auch  in einem Kalkstein-Relief  an dem nur hundert Meter entfernten Michaelsbrunnen unterhalb der Stadtpfarrkirche; der Rest der EINSTIGEN Michael-Brunnen-Figur  steht in einem Spalt zwischen zwei Teilgebäuden des Ehinger Heimatmuseums, mit Blick zum Gasthaus "Deutscher Kaiser". Diese Brunnenfigur eines Drachentöters  muss mal eine eindrucksvolle Figur gewesen sein, wie man auf der hier anhängenden historischen Postkarte erkennen kann. Der Zahn der Zeit hat freilich der einstigen Brunnenfigur  hart zugesetzt, so dass der Rest abgebaut und – pietätvoll – am Heimatmuseum aufgestellt wurde.  

 

Helden, die Untiere bekämpfen, haben eine alte Tradition........

Sicher rühren beide Drachentöter-Legenden, die vom Erzengel Michael und die vom Heiligen Georg, aus einem urtümlichen Teil des menschlichen Gehirns.  Eine frühe Ausformung solch einer Legende vom heldischen, Untiere bekämpfenden Mann ist der altgriechische Held Herakles, der ebenfalls einen Lindwurm tötete; noch älter ist der  Untier-Bekämpfer Gilgamesch aus dem Zweistromland; Zeugnisse dieser Story sind mehr als viertausend Jahre alt.

Wie wichtig früheren Menschen solche Heldenfiguren waren, das zeigt sich in christlich beeinflussten Kulturen  an der gehäuften Darstellung der Figuren Georg und Michael oder auch mal anderer Kämpfer wie eben dieses römischen (heiliggesprochenen) Soldaten Mauritius. Georg war der Patron vieler Kirchen, sogar ganzer Länder wie etwa Englands, er war Namensgeber für Orden, für Adeligenvereine, unter anderem für einen Adeligenverein, den der in Deutschland beliebte Kaiser Maximilian gründete (er ließ sich auch in einer GEORGskirche bestatten). Ein berühmter Georgsverehrer war der (vermutet)  aus Altsteußlingen stammende Erzbischof Anno von Köln. Der heilige Georg gab auch den  Namen für deutsche katholische Pfadfindergruppen.

 

Georg – ein Vorbildheiliger der mittelalterlichen Ritter.....

 Der Heilige Georg war das Inbild des selbstkontrollierten ritterlichen Adeligen, eines Kämpfer, der nicht wesentlich MENSCHEN umbringt, sondern  - sinnvoll - wilde, menschenschädliche Untiere, oder eben ganz ganz böse Feinde.  Gern wurden die Heiligen George bei uns  in der Kleidung reicher Soldaten jener Zeiten, in einer Ritter-Rüstung, dargestellt, so auch der EHINGER Georg. Außer dem Georg gibt es noch ein paar andere als vorbildlich geltende Kämpfer, oft  VERTEIDIGER der christlichen Heimat. Zu den heiligmäßig lebenden Soldaten gehört auch der römischen Legionär Mauritius (unser heutige Vorname „Moritz“ ist von „Mauritius“ abgeleitet);  in der Kapelle des Dorfs  Blienshofen (nordöstlich von Ehingen) befindet sich eine schöne spätgotische Darstellung eines „Mauritius“ aus der "Ulmer Schule".

Zum Ehinger Georg noch: Der Verfasser dieser Zeilen empfindet seine Gesichtsausdruck nicht grad als fröhlich, möglicherweise soll mit seinem beinah gequält wirkenden Ausdruck angedeutet werden, dass der Kampf gegen das Untier zu seinen Füßen  anstrengend ist. Denkbar ist auch, dass dieser Figur ein bestimmter Mensch mit genau diesem Gesichtsausdruck Modell stand (und dafür die Kosten der Figur trug oder mit-trug).

 

Hier noch ein paar Links und Fotos:

Die Kapelle des Ehinger Heilig-Geist-Spitals kann in einem Video besichtigt werden, das der Verlag Ebner für die Stadt Ehingen anfertigte: http://www.virtuelle-city.de/wp-content/uploads/panoramas/vtour/tour.html. Leider ist die Navigation in diesem Film nicht grade einfach.

Eine berühmte Darstellung des Heiligen Georg durch den niederländischen Bildhauer Niclaus Gerhaert; sie stand einst in Nördlingen und ist jetzt anzuschauen im Frankfurter Liebig-Museum für plastische Kunst:  http://erhard-metz.de/2012/03/02/charakterkopfe-niclaus-gerhaert-im-frankfurter-liebieghaus/

Ein Heiliger Georg aus Niederbayern, um 1520 entstanden:

http://www.kaiserfriedrich-museums-verein.de/cms/front_content.php?idcat=17&idcatart=66

 

Oktober 2020             Veit Feger   Veit.Feger@t-online.de