Anne Rice

Eine “bunte” Autorin -  mal Christus, mal Porno (2013)

In den Neunzigern  erwarb ich den (pornographisch getönten) Roman  „Verbotenes Verlangen“ von Anne Rampling – „Rampling“:  ein Pseudonym für Anne Rice. Damals, 1997,  stand  das Internet noch in den Anfängen. HEUTE liefert mir das „Netz“ so viel Material, dass ich  ein ungefähres   Bild der 1941 geborenen  Autorin Anne Rice  entwerfen  kann -  es fällt  bunt aus.

Rice ist eine der erfolgreichsten US-Autorinnen  der Gegenwart. Sie hat drei Dutzend „Novels“  veröffentlicht, darunter explizite Pornos; die Gesamtzahl der von ihr verfassten und von Verlagen in Druck gegebenen Bücher wird (inclusive  Übersetzungen in zahlreiche Sprachen) im Jahr 2013  auf hundert Millionen beziffert.

Dass ich einige – unverbindliche – Notizen über sie verfasse, kommt daher, dass es im Internet  auf DEUTSCH vergleichsweise  wenig über sie zu lesen gibt, so jedenfalls meine Empfindung.

Anne Rice wurde 1941 als eine von vier Töchtern  irischer Einwanderer in den USA geboren.  Sie wuchs in einem extrem katholischen Milieu auf, ein Milieu mit großem Einfluss auf sie – auch wenn sie sich zeitweilig von diesem Milieu distanzierte.

Annes  Eltern waren  Alkoholiker, die Ehe war nicht glücklich. - Eine wichtige Person für die spätere Autorin war ihre Großmutter. Sie starb, als Anne acht Jahre alt war; die M u t t e r von Anne  starb, als die Tochter 15 Jahre alt war, auf langwierige,  qualvolle Weise. Der Vater heiratete ein zweites Mal. - Die Tochter Anne scheint ihren Vater - trotz seiner Trunksucht - bewundert zu haben.

Anne machte sich frühzeitig selbständig; sie heiratete mit 20 Jahren Stan Rice, einen ein Jahr jüngeren Mann,  der es später bis zum Universitätsprofessor für Englisch und Kreatives Schreiben brachte, der zudem  viele Gedichte verfasste und künstlerisch arbeitete.  Stan Rice  starb 2002 an einem Gehirntumor. - Mehrfach ist zu lesen, die Autorin habe eine wichtige Gestalt ihrer Vampir-Romane nach dem ÄUSSEREN ihres Ehemannes gestaltet; es gibt auch eine  Ähnlichkeit zwischen dem Rice-Vampir-Roman-Namen „Lestat“ (ursprünglich Lestan, le Stan) und dem Vornamen des Ehemannes,  Stan.

Anne und ihre ältere Schwester Alice (eine verheiratete Borchardt) wurden Schriftstellerinnen und verfassten beide Romane mit eher ungewöhnlichem Inhalt, über Vampire und ähnliches. (Die ältere Schwester, zunächst Krankenschwester, begann  wesentlich später in ihrem Leben zu schreiben als Anne Rice; sie ist schon länger tot).

Anne Rice führt das Thema ihrer ersten Romane,  „Vampire“,  auf ein bitteres Erlebnis  zurück: Ihr erstes Kind, ein Mädchen, starb mit fünf Jahren; der erste ihrer Vampir-Romane erschien einige Jahre nach dem Tod dieser  ihrer Tochter. –

Schon der erste Vampir-Roman verkaufte sich so gut, auch außerhalb der USA,  dass Anne Rice die  Vampir-Themen-Schiene über Jahrzehnte hinweg weiter befuhr, bis zu einer Gesamtzahl von zehn solchen mit einander thematisch verwandten Romanen. (Über die Vampir-Romane gibt es einen ausgezeichneten deutschsprachigen Wiki-Text: http://de.wikipedia.org/wiki/Chronik_der_Vampire ) Hier wird darauf abgehoben,  dass die Rice’schen Vampire häufig unter ihrer Veranlagung, Blut saugen zu wollen und zu müssen, leiden, dass sie sich also in einem ethischen Zwiespalt mit sich selbst befinden. 

Es folgten den ersten Romanen  fünf Romane mit  pornographischem Inhalt, darunter der eingangs erwähnte Roman „Verbotenes Verlangen“ (Original „Exit to Eden“, weiteres dazu  siehe unten). Die  sogenannte Dornröschen-Trilogie besteht aus drei Romanen, die  harten, eindeutigen  Sadomaso bieten. Zwei Romane aus dieser Trilogie wurden  Anfang der 90er Jahre ins Deutsche übersetzt und wurden dann als jugendgefährdend indiziert. Daraufhin wurde die gesamte Trilogie vom Goldmann-Verlag aus dem Verlagsangebot genommen. -  Zu den Themen dieser  Trilogie gehört, dass das Rice‘sche Dornröschen von dem sie aus dem Dauerschlaf erlösenden, dann von ihr geliebten und bewunderten, natürlich WUNDERschönen   Prinz auf die verschiedensten Weisen geschlagen wird (der englische  Fachausdruck lautet   „spanking“), dass sie des weiteren  nackt öffentlich zur Schau gestellt wird, dass sie sich von „gemeinem Volk“ anfassen lassen muss.  Aber das ist alles nicht so schlimm:  die Prinzessin (auf Englisch „Beauty“)  ist   so unsäglich schön, dass alles Volk vor dieser Schönheit in Ehrfurcht erstarrt. - Es kommen in diesen Romane sehr viele ungewöhnliche Sex-Spiele,  Sex-Rollen etc. vor. - Der Prinz versteht sich als Erzieher  Dornröschens;   sein wichtigstes Ziel dabei:  Röschen muss  selig werden in der  Anbetung des Prinzen  und muss begeistert  sofort alle seine  Wünsche befolgen…

Die Porno-Autorin Rice kann  auch anders. Einige Jahre nach ihren SM-Phantasien wird sie wieder katholisch und schreibt Romane über Jesus Christus.

Dem ORGANISIERTEN Christentum gegenüber ist Rice distanziert, diese Distanz verstärkte sich im Lauf der Jahre. Rice stellt sich unter „christlich“ etwas vor, worin sich die meisten Katholiken nicht wiederfinden. (Der Verfasser dieses Textchens fragt sich,  woher Rice  diesen Christus  kennen will OHNE  die Zuarbeit des ORGANISIERTEN Christentums).

In keinem der Texte, die ich über Anne Rice las, wird auf die Seltsamkeit abgehoben,  dass eine Autorin, die Jahre damit verbringt, Pornos zu verfassen, sich später  als  Christus-Verehrerin versteht. Jesus  liebt zwar die Menschen, also auch die Sünder, aber er liebt nicht die SÜNDE; der Jesus Neuen Testaments wertet im Bereich „Sex“ sehr streng; es gibt keinen Beweis, dass diese strengen Wertungen des Jesus erst NACHträglich in den neutestamentliche Text eingefügt wurden. Man darf daher  annehmen,  dass  der sogenannte neutestamentliche Jesus das begeisterte Beschreiben von Sünden (in einem Porno) für sündhaft gehalten hätte. – Da kann es für ein christliches Herz im Sinn von Anne Rice tröstlich sein, dass ihre  beiden Hauptfiguren in  „Verbotenes Verlangen“ Sado-Maso-Clubs für ein Verfahren halten, die Welt vor zunehmend bösartiger Aggressivität zu retten und friedlich zu machen – was ja eine ethisch gute Absicht ist. –

Der entscheidende Grund  für Rices Schritt, sich nach  ihrer Re-Konversion zum Christentum im Jahr 2010 von der ORGANISIERTEN Form ihrer angestammten Religion,  dem Katholizismus, loszusagen, ist laut Rice,  dass die katholischen US-amerikanischen Bischöfe sich gegen eine gesetzliche Zulassung der  Homo-Ehe in den USA aussprachen. Diese Abwendung vom Katholizismus in seiner organisierten Form habe, so Rice,  nichts damit zu tun, dass ihr Sohn bekennender Homo ist (und ebenfalls Schriftsteller).

Anne Rice verfasste Texte in sehr vielen Formen: Essays für  Zeitungen,  Drehbücher, Autobiographisches, Theaterstücke, Musicaltexte und  eben auch  Romane über Jesus von Nazareth, letztere wurden von Rice   verfasst Anfang des neuen Jahrtausends, zu einem Zeitpunkt, als ihr Mann, mit dem sie vier Jahrzehnte verheiratet war, krank darniederlag und starb.

Anne Rice ist im Internet auf verschiedenste Weisen präsent.  Der englischsprachige Wiki-Text über sie ist sehr ausführlich (und liefert viele der hier widergegebenen Informationen samt Quelle), dazu der deutsche Wiki-Text über Rice und vor allem der deutsche Wiki-Text über Rices Vampir-Romane. Es gibt eine ausgezeichnete deutschsprachige  Fan-Website http://siwilu.beepworld.de/ . Deren Autor zitiert  und übersetzt u. a. eine umfangreiche Stellungnahme von Rice aus  dem Jahr 2004,  die die Autorin auf der Website von „Amazon“ postete. http://siwilu.beepworld.de/anne-rice-rezension.htm - Rice kritisiert da auf harsche Art  Kritiker ihrer Romane (Der Verfasser dieses Textes kam zu der  Empfindung: Rice ist extrem  von der Qualität ihrer literarischen Arbeit überzeugt;  sie äußert ihre Wut über ihre Kritiker auf wenig souveräne Art.)

Wie gesagt: A. Rice ist auf die verschiedenste Weise im Web präsent. Beispielsweise  kann der deutsche Text der Dornröschen-Trilogie  im Internet gelesen werden. „Google Bilder“ zeigt die Autorin in hunderten Fotos. - Anne Rice   hat eine Website, auf der sie auch ihre derzeitige – sehr schöne – Wohnung in einem wüstenartigen Gelände in zahlreichen Fotos vorstellt. - Man kann Anne Rice  bei Youtube sehen und hören; sie ist  in Anbetracht ihrer (zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Textes) siebzig Lebensjahre eine sehr  hübsche, feminine, charmante Person.

Auf Facebook und in Youtube-Filmen stellt sie sich meist in einer  ähnlichen Gewandung vor, die an die Frauenkleidung „besserer Stände“ so um 1900 erinnert: bis zum Knöchel reichendes SCHWARZES  Kleid, dazu meist  graue, jedenfalls gedämpft-farbene Rüschen am Hals. Graue Haare, geschnitten in  Pony-Form, welche  die Stirn völlig verdecken. Das schwarze Habit ist dem einer katholischen Nonne nicht unähnlich…..

Anne Rice  hat hunderte Youtubes hochgeladen; mehrere gelten  ihren geliebten  Katzen. Viele der Youtubes sind eher alltäglichen  Themen gewidmet; man sieht auf ihnen,  wie Verehrer der Literatin sich von ihr  nach  Lesungen  Bücher signieren lassen.

Rice  macht bei den derzeit geläufigen „Social Networks“ mit. Auf Facebook äußert sie sich ausführlich über ihre politische Einstellung, über die Ziele ihrer weiten Reisen, über die Zeitungen, die sie liest, die Journalisten, die sie gut findet, über Autoren und Bücher und Filme, die sie mag. Sie verweist darauf, dass sie bei Amazon zu vielen Büchern, Filmen etc. Reviews geschrieben hat. Sie nennt bei Facebook auch  ihre Lieblingskomponisten und Musiken. - Anne  Rice skypt auch, freilich wegen der Menge von Anfragen nicht „one-to-one“, sondern nur mit Journalisten und Organisationen (Beispiele solcher Interviews  können über Rices Facebook-Account erklickt werden.) Die Vielzahl und Verschiedenartigkeit der Präsentationen und der Kontaktmöglichkeiten mit Rice  ist  erstaunlich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass zahlreiche Autoren   ihre Wohn- und e-mail-Adresse peinlichst geheim halten  – nichts dergleichen bei Rice (ich bewundere diese Offenheit).

 

Einige Zitate aus dem Porno „Verbotenes Verlangen“ und meine Gedanken dazu

(Original: „Exit to Eden“;  Zitierungen hier nach der Goldmann-Taschenbuch-Ausgabe von 1996)

Vielfach wird in dem Roman betont,  dass wir es bei den Hauptakteuren mit den tollsten, schönsten, gebildetsten Menschen zu tun haben, Menschen, die weltweit unterwegs sind,  alles, nur keine doofen Provinzler. Die zwei Hauptakteure Lisa und Elliott sind Leute, die wissen, wie man sich gut anzieht, die wissen, welches Parfum man jeweils verwendet: „Sie trug ein kleines schwarzes Saint-Laurent-Kleid und hohe Stöckelschuhe, ihr Haar war wild und hexenhaft. Die Diamanten ließen ihren Hals lang und exotisch erscheinen“ (Seite 279). – Lisa und ihr Vater gehören zu der seltenen Gruppe Menschen, die französische Philosophen wie Maritain oder Teilhard de Chardin „und all die katholischen Philosophen“ lesen.

Vermutlich, weil sich‘s  bei den Hauptfiguren um „bessere Leute“ handelt und auch Rice zu dieser Gruppe gehöre möchte,  kommen in diesem Porno trotz vieler gemeinhin als obszön bezeichneter  Handlungen fast keine obszöne AUSDRÜCKE  vor:  „Schwanz“ und  „vögeln“ sind verbale Maxima;  „anal“ oder „Arsch“, das ist bei feinen Menschen besserer Stände  unvorstellbar!  :- ) Wenn von „Prostata“ oder „Vorsteherdrüse“ gesprochen werden müsste, ist   die Rede von  „Drüse“: „Sie berührte genau die richtige Stelle, fand die Drüse, drückte drauf….Ihre  Finger stecken noch immer in mir“  (278). Dabei spielt ein ziemlicher Teil der Handlung in einem Sadomaso-Laden, in dem sicher auch ANDERS  gesprochen werden kann;  die weibliche Hauptfigur ist in diesem SM-Laden angestellt. 

Selbstverständlich sind die Hauptakteure, eine Frau und ein Mann aus den USA, die sich in dem SM-Spezial-Hotel in der Karibik treffen, reich, reich, reich; es wird eigens vermerkt: Die Ich-Erzählerin Lisa verdient als Domina jährlich „eine halbe Million Dollar“ (262).

Dass hier alles super ist, dafür noch ein paar weitere Belege (für das Empfinden des Verfassers dieses Aufsatzes grenzt das Meiste an Kitsch). Lisa erzählt von sich „Mein Geschlecht schien unmöglich heiß, prall“ 107. - „‚Wundervoll‘, sagte er und holte meine Brustwarzen vorsichtig unter dem  Leder hervor… Wie geübt er war, wie geschickt und schnell!“ (107)….- „unerträglich süß der feste Griff seiner Hand“ (108).

„Mein hinreißendes kleines Mädchen“.. - „Mein Körper pochte vor Begierde, bebte vor Hitze“ - „Ich vögelte sie wilder, als ich je irgendwann oder irgendwann in meinem ganzen Leben gevögelt hatte, Mann oder Frau, Hure oder Strichjunge.“ 159 - „Sie sah zu außergewöhnlich schön aus, um ein Mensch zu sein;  so wie ihr Geschlecht zu wild, zu animalisch war, um menschlich zu sein.“ (228). - „Sie sah….unbeschreiblich liebenswert aus…., ihre langen schlanken Waden so wohlgeformt, ihr Gesicht so still.“ (273) - „Ich öffnete den Champagner… Ich setzte mich neben sie. Das Parfüm war diesmal nicht Chanel, sondern Chalandre. Wonnevoll überwältigend. … Das Parfüm vermischte sich mit dem Sonnenduft ihres Haares und ihrer Haut.“ 275 - „Ich hielt die Zimtdose an meine Lippen. Schnupperte daran, roch diesen köstlichen, östlichen Duft, diesen verbotenen Duft, wohl das wildeste aphrodisische Aroma, das ich je gerochen hatte.“ 276  „Die Hitze ihres Geschlechts war unglaublich“.  - Elliott erzählt über sich in dieser Sex-Szene, „ich war jetzt nur noch Tier.“ 276. Trotzdem  (und das passt meines Empfindens nicht zu einem Tier) ist der Ich-Erzähler Elliott fähig, zwecks Lustmaximierung seinen Orgasmus hinauszuzögern. 276. - Hauptakteur Elliott schildert Lisa als „kleine, dunkelhaarige, dunkelhäutige, intensive Person, die so leidenschaftlich an das glaubt, was sie tat“ (249). Dieses  Erscheinungsbild passt auch  auf die AUTORIN. Auch sonst liegt ab und an liegt die Empfindung nahe, die Autorin schreibe von sich selbst, etwa wenn sie von der Hauptakteurin Lisa berichtet, diese  sei eine von vier katholisch aufwachsenden  Schwestern gewesen. Eine andere eigenartige Aussage von Lisa über sich:  sie habe ihre erste SM-Erfahrung mit einem Berkeley-Studenten gehabt, als sie 16 war, und mit acht Jahren haben sie ihren ersten Orgasmus gehabt. 238. - Mehrfach wird betont, dass der Vater von Lisa  gebildet  - und katholisch – war (solche Zuschreibungen scheinen auf  den Vater von Rice zuzutreffen). Lisas Vater „durfte nicht wissen,  dass seine Tochter in einem Sadomaso-Club arbeitet“. (238f). Dabei ist Lisa der Ansicht, sie ÄHNELE ihrem Vater, sie sei bei der Arbeit im Club  „wie ihr Vater“: sie lebe  „ihren Glauben, absolut. Der Club ist der ganze Ausdruck dessen, was ich glaube. Ich habe eine Philosophie des Sex.“

Eine Schwester und eine Tante des Vaters der Romanfigur „Lisa“  sind katholische Ordensfrauen; auch in der unmittelbaren Verwandtschaft der Autorin Rice gibt es Nonnen.

Ich, vf, meine zum Vorstehenden: für einen guten Porno ist die Aufzählung von elterlichen Verwandtschaftsbeziehungen und  der väterlichen Bildungsinteressen unnötig; man darf daher annehmen,  dass die Autorin nicht nur von Roman-Personen erzählt, die völlig anders geartet sind als sie selbst, sondern dass sie in diesem Roman auch etwas  von sich selbst und von ihrer Umgebung  preisgibt. Und diese „Umgebung“ glorifiziert…

Dass die Ich-Erzählerin „Lisa“ mit Ordensfrauen verwandt ist, gibt ihr Anlass zu dem Bekenntnis: „Ich würde ihm (sc. dem Vater) gern erzählen, dass ich ebenfalls eine Art Nonne bin, weil ich erfüllt bin von dem was ich glaube.“ (239). - Das Stichwort „Nonne“ kommt auch in einem besonders überraschendem Zusammenhang  vor, nämlich während eines erotischen Höhepunkts der beiden Hauptfiguren;  der Ich-Erzähler Elliott wird da mit dem Bericht zitiert:  Lisa „stieß rauhe Schreie aus, die ein Kind oder eine Nonne hätten glauben lassen, dass ich sie quälte.“ 277

Natürlich kommt auch Lisas  Liebhaber Elliott aus bestem Stall: „Mein Vater war ein großer Umweltschützer in Nordkalifornien, kettete sich an Mammutbäume, um zu verhindern dass sie gefällt würden.“ Der Vater besaß x Immobilien. „Er engagierte sich stark für die nukleare Abrüstung. Er besaß die größte pornographische Sammlung außerhalb des Vatikans“ S. 240. Von sich selbst erzählt der männliche Ich-Erzähler, dass er ein super-Sportler ist, der die tollsten Abenteuersportarten betreibt (262).  – Im Gegenzug zur Sportlichkeit des MANNES betont die WEIBLICHE Hauptfigur,  welch hochgradig literarischen ROMANE sie liest; die Titel werden genannt und die Autoren: Hemingway, Selby,  Carson McCullers, Tennessee Williams etc (241). Lisas  Freund legt noch eins drauf, wenn er seine Freundin folgendermaßen rühmt:  „Sie wusste nicht nur oberflächlich Bescheid; sie wusste von den religiösen Parteien in Beirut, sie kannte die Regierungsgeschichte, … sie las mehr Tageszeitungen als die meisten Leute sonst.“ (263)

Analog zu dem jesuanischen Satz, dass „dem Reinen alles rein“ sei, betont die SM-Domina Lisa in einem Gespräch über verschiedenartiges Sexualverhalten: „Nichts stößt mich ab. Mir erscheint alles unschuldig, alles hat mit intensiven Gefühlen zu tu, und wenn mir Leute sagen, sie seien von Dingen angewidert, dann verstehe ich einfach nicht, was sie meinen.“ 242. – Diesem Bekenntnis Lisas entsprechen verschiedene bekenntnishafte Aussagen der AUTORIN  in späteren Jahren, nach ihrer „Rückkehr“ zum Christentum (siehe engl. Wiki und ihre Website).

Die Hauptfiguren sind WUNDERBARE Menschen und auch  bei Sadomaso treiben sie was Wunderbares, großartig  bis zur Rettung der Welt vor dem befürchtbaren Untergang:  SM-Leute  sind Menschen, die  „die symbolische Befreiung von ihren sexuellen Aggressionen zu finden“ suchen (269). Eine der beiden Hauptfiguren äußert gesprächsweise:  „Es gibt heute keinen anderen Weg mehr, um die Welt zu retten, außer Arenen zu schaffen, in denen man symbolisch die Triebe ausleben kann, die wir in der Vergangenheit wörtlich genommen haben.“ (270). - Mir, vf, erscheint an diesem Satz besonders wichtig die Unterstellung, dass sexuelle getönte Übeltaten eigentlich bereits der VERGANGENHEIT angehören,  nicht mehr der Gegenwart).

Lisa weiter: „Wenn wir unsere gewalttätigen Gefühle innerhalb von Schlafzimmerwänden ausleben können, wo niemand wirkliches Leid zugefügt wird, niemand wirklich Angst hat,“ dass wir dann „am Ende vielleicht in der Lage sein werden, die Welt zu retten.“ (270). „Wenn es an jeder Straßenecke einen Club gäbe… wer weiß, wie die Welt dann aussähe? Wirkliche Gewalt würde dann für jedermann vulgär und obszön sein.“ (271) „Wenn wir Vergewaltigung in SM-Inszenierungen verbannen könnten, dann könnten wir die Welt vielleicht retten.“ (272) - Elliott zu Lisa abschließend: „ `Der Club weist den Weg in die Zukunft… Du (gemeint: Lisa) solltest stolz darauf sein‘.… Sie gab … einen zustimmende Laut von sich.“ (272). - Zwischendurch aber verhält sich Elliott auch recht nüchtern; er berichtet von sich, unmittelbar nach einem Super-Orgasmus:  „Ein Weilchen später  erhob ich mich und drehte die Dusche auf.“ 277

Veit Feger, Januar 2013 -  Veit.Feger@t-online.de

 

eMail:  Veit.Feger@t-online.de

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