Bücher und Aufsätze, in denen nach 1945 NS-Ansichten verbreitet oder NS-Untaten verschwiegen, verdreht  oder geschönt werden.

Philosophie, Belletristik nach 45

 

Theodor Haering, Tübingen: Haeringssalat – Beiträge zu einer Philosophie des Alltags, Verlagshaus Reutlingen 1953.

Häring war während des gesamten Dritten Reichs Philosophie-Professor an der Universität  Tübingen.

 In seinem 230seitigen Büchlein „Haeringssalat“ befasst sich der Philosophieprofessor mit sehr verschiedenen Themen aus den Bereichen Kultur und Moral, Beispiele: „Dem Rundfunknarren“, „Dem Abiturus“, „Die Führer“, „Klassenhaß“, „Fastnacht“, „Astronomie“,  „Existentialismus“, „Karfreitag“, „Muttertag“, „Geistige Rassenkunde“ . Viele Themen werden angeschnitten, durchaus auch ETHISCHE; aber ZWEI Themen finden wir nicht: politisch bedingte  Verbrechen im nationalsozialistischen Staat und das Thema Scham, Reue, Bestrafung der Verbrecher.

Ein achtzeiliges Gedicht mit der Überschrift  „Die Führer“ enthält als Fazit: „Führertum in allen Ehren! Doch die Rechnung ist nicht schwer; Wenn wir alle Führer wären, Gäb’s keine FÜHRER mehr!“ und dann die Aufforderung an den Leser, SICH SELBST zu führen.

Im folgenden einige Angaben über Haering aus der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“:

1957 wurde er Ehrenbürger von Tübingen, im Gegenzug vererbte er der Stadt Tübingen seine Villa (Neckarhalde 31), die heute Theodor-Haering-Haus heißt und die Städtischen Sammlungen sowie einen Kindergarten beherbergt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat er sich in einem anonymen Brief selbst für die Ehrenbürgerschaft vorgeschlagen[1]. 1959 wurde er mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.[2] - In der Zeit des Nationalsozialismus war Theodor Haering führendes Mitglied des NS-Dozentenbundes[2] und ab 1937 Mitglied der NSDAP, mit der er schon vorher sympathisiert hatte. Er verstand Philosophie als geistige Rassenkunde (so der Titel eines Vortrags aus dem Jahr 1939)[2] und schrieb bereits 1935: „Neben dem Rassenprinzip steht das Führerprinzip“.[3] Während des Zweiten Weltkriegs beteiligte er sich am NS-Projekt Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften.[2] Nach Kriegsende verlor er für drei Jahre die Bürgerrechte sowie seine Professur, die er 1951 (bei gleichzeitiger Emeritierung) zurückerhielt. Auch nach dem Krieg hat er an rassistischen und antidemokratischen Überzeugungen festgehalten. Ein Antrag der TüL/PDS-Fraktion im Tübinger Gemeinderat, das Theodor-Haering-Haus in Simon-Hayum-Haus (nach einem von den Nationalsozialisten vertriebenen jüdischen Rechtsanwalt, der 1919-1933 als Mitglied der liberalen DDP dem Tübinger Stadtrat angehört hatte) umzubenennen, wurde vorerst vertagt.“

 

Mundart-Dichtung von Wendelin Überzwerch

Die selbe Unbetroffenheit von den schrecklichen Vorgängen  wenige Jahre zuvor sehen wir in  der nach dem Dritten Reich  aufblühenden Mundartdichtung.

Die Mundart, so dachte man damals wohl, sei als geistiger Raum unbetroffen von den kürzlichen Verbrechen,  ein Ort der Erholung, des Sich-nicht-erinnern-Müssens.

Politische Geschichte kommt zwar auch in Mundarttexten vor, aber  diese Historie  hört immer VOR dem Dritten Reich auf.

Wendelin Überzwerch („Uff guat schwäbisch“ (Reutlingen 1951) verbreitet sein „Lob der Alb“, des Unterlandes, des Oberlands, des Schwarzwalds, des Hohenloher Landes, aber dass  irgendwo in den Jahren unmittelbar vor der Publikation dieser Gedichte etwas Problematisches anzutreffen wäre – NEIN!

Im selben Verlag wie die Gedichte von Wendelin Überzwerch erschien der „Schwaben Spiegel“ des oben zitierten Tübinger NS-Professors Theodor Haering. Er befasst sich mit dem „schwäbischen Volkscharakter“. Unvorstellbar, dass es in diesem Schwabenland mal jüdische Gemeinden gab (in Buttenhausen, in Laupheim, in Buchau, in und um Stuttgart, in Rexingen…)

 

Drei Bücher von Josef Eberle

Ein Verfolgter des Nazi-Regimes  verschweigt die Verfolgung anderer

Der aus Rottenburg stammende Gründer und Herausgeber der Stuttgarter Zeitung, Josef Eberle (1901 – 1986),  nannte sich als Dichter schwäbischer Verse „Sebastian Blau.

Eberle  war von der NS-Herrschaft sehr benachteiligt worden, zumal er mit einer jüdischstämmigen Frau aus Rexingen (nahe seiner Heimatstadt) Rottenburg verheiratet war. Eberle  war von der Reichsschrifttumskammer mit Schreibverbot belegt worden – eigentlich genug Anlass, auf strenge Distanz zum Dritten Reich zu gehen.

Das Büchlein „Die schwäbischen Gedichte des Sebastian Blau, gesammelt, befürwortet und herausgegeben von Josef Eberle“ (Wunderlich-Leins, 1947, 1. Auflage 1943) enthält in der mir vorliegenden Ausgabe 1947 ein Gedicht über Zigeuner – wohlgemerkt, 1947, als bekannt sein musste, wie brutal diese Bevölkerungsgruppe im Dritten Reich verfolgt worden war. Das dreißigzeilige Gedicht enthält alle landläufigen Vorurteile über Zigeuner. Sicher waren diese Vorurteile nicht durchweg einfach falsch, aber ein Intellektueller wie Eberle musste wissen, dass die von ihm beklagten Eigentümlichkeiten der Zigeuner teilweise auch in ihrer jahrhundertelangen Ausgeschlossenheit begründet waren. Eberle zeigt sich in diesem Gedicht ohne alle Rücksicht für diese Verfolgtengruppe, eine Rücksicht, die man von ihm als selbst Verfolgten eher als von jemand anders erwarten durfte. Der Autor Eberle macht sich  lustig über die Diebereien von Zigeunern, über ihren Gestank, ihre Unreinlichkeit, ihre Armut; Zigeunerkinder werden als „Bruat“ (Brut) bezeichnet. Dies alles, wohlgemerkt, nachdem mehrere hunderttausend Angehörige dieser Gruppe  in Konzentrationslager verschubt worden und viele von ihnen ermordet worden waren.

1953 erscheint von Eberle-Blau der Prosa-Band „ob denn die Schwaben nicht auch Leut wären…?“. Der Band wird als „Neuausgabe“ des Buchs „Schwäbisch“ bezeichnet, aber nicht angegeben, wann dieses  Buch erstmals erschien. Das zweihundertseitige Bändchen enthält  auch ein Kapitel über Schwäbisch als Weltsprache. Dass Schwäbisch als Weltsprache firmieren darf, liegt nach Eberle-Blau darin begründet, dass viele Schwaben im 18. und 19. Jahrhundert der heimischen Armut entflohen oder der religiösen Verfolgung Anfang des 19. Jahrhunderts oder der  politischen Verfolgung etwa nach 1848. Eberle-Blau war mit einer Frau verheiratet, die aus Rexingen bei Rottenburg stammte, dem Ort, aus dem eine große Gruppe jüdischer Deutscher 1938/39 GEMEINSAM nach Israel flüchtete, die einzige solche Gruppenauswanderung aus dem damaligen NS-Deutschland. Trotz dieses Hintergrunds erwähnt Eberle-Blau DIESE und andere Auswanderungen von JUDEN  aus Schwaben NICHT.

Dass ausgewanderte Schwaben  auch in fremden Ländern an ihrer Art festhielte, wird als „wunderbar“ bezeichnet: „Ein stolzes Zeugnis für das nicht umzubringende Stammesgefühl, für die Kraft unseres Volkstum!“ (S. 195).

Eberle-Blau zeigt sich beglückt über Deutsche Herkunft; er erwähnt, dass es in anderen Ländern Europas und darüber hinaus „rein schwäbische Dörfer und Städte“ gibt, in folgenden Ländern. „Polen, Rumänien, Ungarn, Palästina, Kapland, Argentinien, Brasilien, Chile, Guatemala“.  – Ich meine: An dieser Stelle hätte auch der Vollständigkeit halber die schwäbische Siedlung „Shave Zion“ in Palästina  erwähnt werden können.

Vergegenwärtigt man sich diese Schönfärberei und die eigenartige Vergesslichkeit von Eberle-Blau, dann liest man auch seine Geschichte der Stadt Rottenburg mit anderen Augen. Sie erschien 1946. Vom späteren Bundespräsidenten Theodor Heuß (damals noch  Herausgeber der „Rhein-Neckar-Zeitung“) wurde diese Neuerscheinung als „in seiner Art vollendetes Buch“ gefeiert, „gewachsen aus einer liebenden Ernsthaftigkeit“. Über das Dritte Reich in Rottenburg, über den aus Rottenburg stammenden, in Plötzensee erhängten württembergischen Staatspräsidenten Bolz lesen wir bei Eberle-Blau NICHTS. Aber über die Wiedertäufer, deren einer in Rottenburg inhaftiert und gefoltert worden war, lesen wir (122ff): „Die täuferische Ketzerei, die ärgste von allen, die jedes Wort der Schrift buchstäblich nahm, fraß sich seit einiger Zeit in die Herrschaft ein wie eine böse, schleichende Krankheit. Eingeschleppt hatte sie der Wilhelm Reiblin und darnach alles getan, den Keim der Ansteckung zu verbreiten. Er war es, der den Teufelssamen auch in Rottenburg, seiner Vaterstadt, ausgestreut hatte… Wiewohl man ihm im Turm zu Binsdorf mit Strick, Schwert und Feuer gedroht, so ist er doch verstockt geblieben.“  Die Wortwahl Eberles kann nur als fatal bezeichnet werden; sie passt perfekt zur Ideologie des Dritten Reichs. - Als eine der  - allem nach grässlichen - Ansichten der Wiedertäufer wird von Eberle-Blau erwähnt (S. 126): dass sie „das Schwören und Kriegführen verachteten“. Eberle schreibt das   im Jahr 1946!

So viel  - Trauriges! - zu einem Mann, der sich als Verfolgter des NS-Regimes ansah und es auch war.

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