Bücher und Aufsätze, in denen nach 1945 NS-Ansichten verbreitet oder NS-Untaten verschwiegen, verdreht  oder geschönt werden.

Musik/Kunst

 

Reclams Opern- und Operettenführer, Herausgegeben von Wilhelm Zentner und Anton Würz, 18. und 7. Auflage, Reclam Stuttgart, 1956

Wie so oft in den ersten Jahrzehnten nach dem Dritten Reich wird in Publikationen die Verfolgung von jüdischgeborenen Prominenten verschwiegen und Angaben zum Bereich „Verfolgung, Exil“ beschönigt.

Hier als Beispiel die Darstellung des Lebens des Komponisten Fritz Kreisler, geboren 1875 in Wien, in oben genanntem Operettenführer:  Über Kreislers  Leben heißt es da  unschuldig: „1938 wurde er französischer Staatsbürger , 1940 übersiedelte er wieder nach New York“.

Über Paul Abraham: „geb. 1892 in Apatin, im Jahr der Lexikon-Herausgabe noch lebend:

„Die Ereignisse des Jahres 1933 zwangen den Künstler, seinen Berliner Wohnsitz aufzugeben und Deutschland zu verlassen. Über Wien und Paris führte ihn sein Weg als Emigrant schließlich nach New York. Es gelang ihm jedoch nicht mehr, das Interesse des amerikanischen Publikums zu erwecken.“

Dem vorstehend zitierten Text zufolge  wurde Abraham nicht von der NS-Regierung verjagt, sondern von „Ereignissen“ eines bestimmten Jahres. –

Euphemismus auch hier: „Sein Weg führte ihn…“: Die Emigration war für die allermeisten Emigranten nicht so etwas Liebes Nettes Wander-Artiges; es war eine Zeit der Entbehrung, des Schreckens, die mehrere Emigranten sogar dazu brachte, ihrem Leben ein Ende zu setzen. - Der dritte vorstehend zitierte Lexikon-Satz unterstellt, dass das amerikanische Publikum nicht den Riecher für wahre Größe hatte -  wie das deutsche Publikum, muss man wohl annehmen.

„Giacomo Meyerbeer“: Wir lesen nichts davon, dass Meyerbeer Schwierigkeiten mit einer angestrebten Anstellung in Berlin hatte, weil er jüdischer Abkunft war. Die Einordnung entspricht jener,  wie gebildete Nazis im Dritten Reich prominente jüdischstämmige Künstler, die nicht einfach abgetan werden konnten, auf scheinbar elegantere Art disqualifizierten: Meyerbeers frühe Opern werden von den Autoren als „äußerlich neuartig und sensationell“ bezeichnet; von Meyerbeers  angeblich besten Oper, „Die Afrikanerin“, heißt es:  „Die Kunstform der frz. Großen Oper“ erreiche hier „einen ihrer theatralisch glänzendsten Höhepunkte“. Sie zeige „Neigung zu vordergründig-äußerlicher Wirkung“  (124, 128)

 

R. W. Eichler: Künstler und Werke -  Maler, Bildhauer und Graphiker unseres Jahrhunderts im deutschen Sprachraum, Lehmanns Verlag München 1962.

Dieses  Buch besteht aus fast hundert Kurzbiographien. Das produktive Leben der vorgestellten Künstler  ist fast durchweg mit dem Dritten Reich parallel. In diesem Buch lesen wir aber so gut wie nie die Begriffe „Drittes Reich“ oder „Nationalsozialismus“, sondern allenfalls Zweiter Weltkrieg. (Meine Empfindung:  Die Rede vom „Zweiten Weltkrieg“  statt vom ERÖFFNER  dieser Kriege, der nationalsozialistischen Regierung, erlaubt es, auf eine „braune“ oder braun-nahe Einstellung des jeweiligen Autors zu schließen).

In dem vorliegenden Werk sind bekannte jüdischstämmige  Künstler deutscher Zunge jener Epoche  sorgfältig ausgespart: Paul Klee, Lionel Feininger,  Max Liebermann,   Felix Nussbaum, Lea Grundig, Wieland Herzfelde oder auch NS-kritische nicht-jüdisch-stämmige Künstler wie Konrad Felixmüller,  George Grosz,  Oskar Kokoschka.

Die Einstellung des Autors R. W. Eichler lässt sich bei aufmerksamer Lektüre an zahlreichen  Details erkennen.

Im Kapitel „Ernst Barlach“ heißt es: „Nach 1933 wurde Barlachs Werk… in den großen Topf der ‚Entarteten Kunst’ geworfen.“ S. 20. – Wer da warf, wird nicht gesagt.

Der Maler Hermann Kupferschmid (lesen wir in feierlichem Ton) wird „im zweiten Weltkrieg wieder zum Heer einberufen, anschließend von den Franzosen inhaftiert.“

Über den bildenden Künstler Richard Scheibe: „1936 kam der Ruf an die Preußische Akademie der Künste in Berlin als deren Senatsmitglied“ (S. 60) – Nichts davon, dass wenige Jahre zuvor mehrere politische missliebige und nicht-arische Akademiemitglieder entfernt worden waren.

Über den Künstler Philipp Harth heißt es: „1941 verlor Harth allen Besitz in Berlin durch Bomben und wurde in die Schwäbische Alb evakuiert. Man hielt es für nötig, ihn aus politischen Gründen überwachen zu lassen.“ (S. 77) – auch hier wieder dieses seltsam unspezifierte „man“ (für NS-Organisationen wie die Gestapo oder ähnliche; ein Name wie „Gestapo“ oder auch nur „Nationalsozialismus“ wird konsequent vermieden).

Biographie „Jörg von Reppert-Bismarck“: „Den zweiten Weltkrieg erlebt v.Reppert-Bismarck bei einer Panzerarmee im Osten“ (nichts davon, wie deutsche Soldaten in diesen Osten gelangten). -  Dann wird der Autor grundsätzlich:  „In welcher bedauerlichen Weise wir Deutschen zu Extremen neigen, wird sichtbar an der widersprüchlichen Einstellung zu einem so schicksalschweren Ereignis, wie es der letzte Krieg war. Während vor 1945 allzu bereitwillige Maler in pathetischen Bildern die heroische Zeit feierten, gibt es heute kaum Künstler, die das tragische Geschehen dieser und der folgenden Jahre, das so tief ins Leben des einzelnen einschnitt, bildnerisch verarbeiten.“   (S. 139)

Meines Erachtens wäre kunstgeschichtlich DANN ein echt „anderes Extrem“ zu konstatieren, wenn nach 1945 die Kriegszeit von deutschen Künstlern KRITISIERT worden wäre, aber eine solche Kritik (Darstellung von Verletzung, Verwesung ohne alle Beschönigung) finden wir (im Gegensatz zu „nach 1918“) in der bundesrepublikanischen Kunst KAUM.

Man kann sagen: Die Nazis unter den deutschen Künstlern schwiegen jetzt. Anti-Nazi hatten, wenn überhaupt, dann am ehesten im  AUSLAND überlebt. Nur wenige von ihnen kehrten zurück. Bezeichnend bei Eichler wieder der glorifizierende Ton, in dem von einem Krieg geschrieben wird (der eine wichtige Bedingungen war, dass die Gasöfen rauchten): „schicksalschweres Ereignis“ „die heroische Zeit“

 

Biographie „Fritz Fischer“: „Es folgten Jahre des Kriegseinsatzes“  (S. 160)

„Hannes Rosenow“: „Nach dem Abitur als Soldat von 1943 bis 1945 im Felde.“

 

Antijudaistische Untertöne

in Kirchenfresken  der 20er Jahre

TEXTE lassen sich  meist eindeutiger als Gemälde auf „Botschaften“  hin untersuchen. Aber auch bei bildlichen Darstellungen ist das Erkennen von „Botschaften“ möglich – wenn man nicht übersehen WILL.

Zufällig stieß ich vor einigen Jahren auf einen südwestdeutschen expressionistischen Kirchenmaler mit einem antijudaistischen „Zungenschlag“.

In der kath. Pfarrkirche Baienfurt bei Ravensburg fiel mir die farblich und formal ungewöhnliche, großflächige Bemalung der Seitenwände des Kirchenschiffs auf: darauf ein Kreuzweg mit lebensgroßen Gestalten von Jesus, Jüngern und „Juden“, gemalt in „expressionistischer“ Manier.

Ich schaute mir diesen Kreuzweg näher an (wie ich es seitdem bei bildungsbürgerlichen Besuchen in katholischen Kirchen tue) und bemerkte: (der Jude) Jesus und jene Juden, die sich Jesus von Nazareth NICHT anschlossen,  unterscheiden sich voneinander durch die berühmte Hakennase und durch einen unterschiedlichen Gesichtsausdruck: Die Juden, die Jesus nicht nachfolgen, zeigen fanatische, böswillige Gesichter.

Ich sah  diese Fresken mit lebensgroßen Figuren und fragte mich nach der Entstehungszeit. Ich stellte fest, dass dieser Kreuzweg  Mitte der Zwanziger Jahre gemalt wurde.

Damals war die antisemitische Fronstellung in der deutschen Politik sehr deutlich: Die NSDAP trat von Beginn an vornehmlich mit antisemitischen Parolen auf. Wer jüdische CHRISTEN  (die es strenggenommen zum Zeitpunkt des jesuanischen Leidenswegs  noch gar nicht gab) und jüdische JUDEN verschieden malte, wusste, was er tat.

Zufällig komme ich einige Zeit später in die Pfarrkirche Röhlingen  bei Ellwangen. Mir fällt  auch hier ein rundumlaufendes „Kreuzweg“-Fries mit beinah lebensgroßen Personen auf.  Ich schau näher hin – und bemerke auch hier die HAKENnasen als Unterscheidungsmerkmal zwischen christlichen Juden und jüdischen Juden.

Ich mache mich kundig: Wie in Baienfurt heißt der  Maler  in Röhlingen Alois Schenk.

Ich blättere später in „Heilige Kunst“, der kunstgeschichtlichen Zeitschrift der Diözese Rottenburg („Mitgliedsgabe des Kunstvereins der Diözese Rottenburg-Stuttgart“). Im Jahrgang  1997 finde ich einen Aufsatz über „Gestalten der Kirchenmalerei des 20. Jahrhunderts“ vom Vorsitzenden des diözesanen Kunstvereins, Josef Anselm Adelmann; in diesem Aufsatz ist Alois Schenk aufgeführt; im Jahrgangsheft 1978 befasst sich Adelmann in einer Monographie mit dem „Christusbild bei Alois Schenk“. Im wesentlichen kapriziert sich der Kunsthistoriker Adelmann auf die  „FARBE“ bei A. Schenk und deren Bedeutung, ich finde null zum INHALT, NULL zur „Botschaft“ der Passions-Figuren. Diese Missachtung von unübersehbar  antijudaistischen  Bildelementen findet man bei deutschen Kunsthistorikern des öfteren.

Die einzige Aussage in den beiden genannten „Heilige-Kunst“-Aufsätzen zu INHALTEN auf Schenk-Passionsbildern finde ich  im Aufsatz 1978: Ein Freund von Schenk und selbst Maler  beobachtet (ohne weiter darüber zu reflektieren – vielleicht,  weil es für ihn ganz selbstverständlich ist): Es gebe in der Röhlinger Kreuzweg-Darstellung eine Linie in den dargestellten Personen: „von Christus abwärts zu Pilatus, dann noch tiefer hinunter zu den Pharisäern und dem Volk und alle Hände erheben sich und fordern: Kreuzige ihn.“

(Vor einigen Jahren mache ich  die Leitung der Stuttgarter Staatsgalerie darauf aufmerksam, dass in einer speziellen Ausstellung ihrer Bildschätze auch eine Passionsdarstellung des Anonymus „Der Frankfurter“ zu sehen ist, mit antijudaistischem „Zungenschlag“. Ich moniere: In den erläuternden Texten zu den Bildern NULL Hinweis auf die antijudaistische Botschaft in diesen Passionsbildern. Obwohl die für Erläuterungen vorgesehene Text-Menge nicht klein ist, lautet die Antwort aus Stuttgart sinngemäß: Man kann sich doch nicht mit allem Möglichen befassen).

Ich mach auch den für die Baienfurter  Pfarrkirche zuständigen Pfarrer  (zugleich katholischen Regionaldekan) auf die antijudaistischen Elemente in dem Baienfurter „Kreuzweg“ aufmerksam und bitte, man möge doch an dem Kreuzweg einen kleinen Hinweis anzubringen, in dem sich die Kirchengemeinde von der speziellen Bild-Botschaft distanziere. Dies wurde deutlich abgelehnt (siehe dazu den Briefwechsel, dokumentiert in http://veit-feger.homepage.t-online.de/baienfur.htm

 

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eMail:  Veit.Feger@t-online.de

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