Bücher und Aufsätze, in denen nach 1945 NS-Ansichten verbreitet oder NS-Untaten verschwiegen, verdreht  oder geschönt werden.

Biographien

 

Wilhelm von Keppler - Ein 1926  verstorbener Bischof wird noch im Jahr 2000 groß geehrt

Von seinen antisemitischen Ausfällen wird geschwiegen

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat eine Reihe caritativer Einrichtungen zum 1. Januar 2000 neu organisiert und nach einem ihrer Bischöfe benannt: Dr. Paul Wilhelm von Keppler, Bischof von 1898 bis 1926; so gibt es nun in Württemberg seit  zehn Jahren die "Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung".

Schaut man sich Keppler näher an, so muss man staunen,   welcher Mann da von der Diözesanleitung gewürdigt wird.

Es ist klar, so begeistert  feiern kann man heute, nach der deutschen Shoa, nur jemanden, dessen antisemitische Äußerungen (belegt zumindest  in seinem Reisebuch über Palästina) cool übergangen werden. Die wichtige diözesane Stiftung konnte auf den Namen des Bischofs Keppler nur getauft werden,  wenn man eine  heroisierende Biographie (eher: eine  Heiligenlegende) bereitstellt wie jene  in dem Prachtband „Das Katholische Württemberg – Die Diözese Rottenburg-Stuttgart – Zeiten . Zeichen . Zeugen“ (herausgegeben vom Bischöflichen Ordinariat, verlegt  in Ulm 1988).

Bischof Keppler wird uns da auf den Seiten 92/93 als denkbar honoriger Mensch vorgestellt: „Keppler war eine über die deutschen Lande hinaus bekannte Persönlichkeit: ein begnadeter Schriftsteller, dessen Bücher ‚Mehr Freude’ und „Leidensschule’ in vielen hunderttausend Exemplaren  Verbreitung fanden; ein begeisterter Freund der kirchlichen Kunst; ein Erklärer der Bibel von tiefer Spiritualität; vor allem ein Meister der Predigt.“  Vorsichtige KRITIK wird an Keppler nur in folgender  Passage geübt: „Eine nicht in allem glückliche Hand zeigte der Bischof in den geistigen Auseinandersetzungen um den sogenannten Reformkatholizismus und Modernismus. Seine aufsehenerregende Rede über ‚Wahre und falsche Reform’ von 1902 verrät eine integralistische Haltung, die den Herausforderungen der Zeit nicht gerecht wurde.“

Dass Keppler ein entschiedener, langjähriger Verehrer und Förderer des entschiedenen Antisemiten und Antidemokraten Langbehn war, lesen wir nicht, hingegen, dass „die Revolution von 1918 “seiner aristokratischen Art“ „widersprach“.

Wer war dieser Julius Langbehn? Wen förderte da ein Rottenburger Bischof? – Nun, er förderte einen Autor, der  um die Wende zum 20. Jahrhundert einer der erfolgreichsten deutschen Essayisten war und dessen antisemitisch getöntes Hauptwerk während des Dritten Reichs die neunzigste Auflage erreichte.

Mit wem war Bischof Keppler da  befreundet?  Mit wem wechselte er jahrelang Briefe (ediert 1937!)? -  Hier einige Aussagen  von Julius Langbehn (1851 – 1907) aus seinem Hauptwerk  „Rembrandt als Erzieher“ (39. Auflage): „Die Juden sind für uns nur eine vorübergehende Pest und Cholera“, „ihre Ausbeutungsgier ist oft genug grenzenlos“, „sie sind ein Gift im deutschen Volkskörper“, „der moderne Jude hat keine Religion, keinen Charakter, keine Heimat, keine Kinder“, „Ein Jude kann so wenig zu einem Deutschen werden, wie eine Pflaume zu einem Apfel“. 

Langbehn war  - wie aus diesen Zitaten folgt, verständlicherweise - gegen eine Integration der deutschen Juden in deutsche Staaten (deren es damals ja wenigsten zwei gab, neben dem Kaiserreich auch die Habsburgermonarchie). Langbehn  forderte Zugangskontrollen für die Erteilung von Bürgerrecht. Der Jesuitenorden gebe das  Beispiel für eine solche Zugangskontrolle:  Dieser Orden verlange von Aufnahme-Kandidaten, dass sie  zurück bis in die fünfte Generation nachwiesen, keine jüdischen Vorfahren zu haben.  Langbehn  meint: So eine saubere Ahnenreihe  solle jeder nachweisen müssen, der die deutsche Staatsbürgerschaft beanspruche.

Das wurde von Langbehn natürlich nicht von JEDEM  Deutschen gefordert, sondern nur von  sogenannten Juden. – Man darf behaupten: Der Ariernachweis, den die Nationalsozialisten forderten, ist  hier vorgezeichnet.

Langbehn vertrat zu seiner antisemitischen Grundstimmung passend  die Ansicht, Jesus sei ARIER gewesen. Katholizismus liege dem  Arier im Blute.  (Zitate nach Ingrid Oberndorfer, August Julius Langbehn – Antisemitismus im 19. Jahrhundert, http://www.david.juden.at/kulturzeitschrift/57-60/58-Oberndorfer-0.htm

Nun aber einige Sätze von Keppler aus  seinen einst vielfach aufgelegten „Wanderfahrten und Wallfahrten im Orient". Diese Sätze zeigen, wie nah sich Keppler und Langbehn in Sachen „Juden“ standen. - Ich zitiere aus der 8. bis 10. Auflage, 20. bis 24. Tausend, Freiburg 1922. (Für heutige Leser klingt die genannte Druck-Zahl nicht imponierend; man muss aber wissen, dass damals ein Buch dieser Art aufgrund seiner Kosten für viele Leser nur erreichbar war über Pfarr-, Schul- und Leihbüchereien und insofern mehr Leser als Käufer hatte).

Angesichts der  Jerusalemer Juden seiner Zeit, um 1900, schreibt Keppler, die Juden in Jerusalem  seien zwar untereinander religiös verfeindet, aber recht  fromm. „Kaum sollte man glauben, daß das Stammesbrüder jenes entarteten Teiles des Judenvolkes sind, der außerhalb Palästinas den Christenvölkern wie ein Pfahl im Fleische sitzt, der ihnen das Blut aussaugt, sie knechtet mit den goldenen Ketten der Millionen  und mit den Rohrzeptern giftgetränkter Federn die öffentlichen Brunnen der Bildung und Moral durch Einwerfen ekliger und eitriger Stoffe vergiftet."  S. 334

Man sieht: Die alte Brunnenvergiftungstheorie von 1348 feiert um 1900! Fröhlichste Urständ!

Von den Gebeten in der  damaligen Jerusalemer  Judengemeinde schreibt Bischof Keppler: "Möge die Sehnsucht und der Hoffnungsschrei ... von diesem Grabe des Tempels und des Alten Bundes den Weg finden zu dem einzigen Grabe, das Wiege des Lebens ist: zum Grab auf Golgatha. Möge das Weinen dieses Volkes - eine verspätete Befolgung der Mahnung seines Messias: 'Weinet über euch und eure Kinder!' - da es für die Nation zu spät kommt, wenigstens noch einzelnen Gliedern derselben zum Heile  werden." Über das Volk des Alten Bundes regnet "seit Jahrhunderten der Fluch herab, ...  der schon bei Stiftung des Bundes auf die Verletzung der Bundestreue gelegt ward; das, wie es dort vorausgesagt ward, keine Ruhe mehr finden kann und keine Rast für die Sohle seines Fußes." (S. 336)

Man mache sich klar, was hier steht: Die Verfolgung der Juden in der abendländischen Geschichte ist nicht eine Folge der Vorurteilshaftigkeit oder gar Bösartigkeit judenfeindlicher  Römer und Christen, sondern nur die Erfüllung eines göttlichen Fluchs aufgrund  selbstverschuldeten schlechten Verhaltens der Juden.

Bündiger kann man schwerlich  fast  alle traditionellen christlichen  Vorurteile gegen das Judentum versammeln und VORTRAGEN.

Als der Antisemitismus in Deutschland noch nicht die Shoa gezeitigt hatte, war es für einen prominenten Katholiken nicht ehrenrührig, mit dem „Rembrandtdeutschen“ Julius Langbehn  verbunden  zu sein. Heute wird natürlich nicht mehr auf diesen enge Verknüpfung  hingewiesen, weil Langbehn heute als ANTISEMIT bekannter ist als der einstige Rottenburger Bischof Keppler.

 

Adolf Donders, ein katholischer Theologieprofessor, der mit Keppler zusammen im Ersten Weltkrieg Kriegspredigten veröffentlicht hatte,  verfasste eine  Biographie Kepplers wenige  Jahre nach dessen Tod, eine Biographie, in der ohne Beschämung berichtet wird, dass Keppler  beeindruckt gewesen sei von Julius Langbehn, dass Keppler diesen Mann sehr verehrte und jahrelang mit ihrem Briefe wechselte (Adolf Donders: Paul Wilhelm v. Keppler, Bischof von Rottenburg, ein Künder katholischen Glaubens. Mit 9 Bildern auf 6 Tafeln. Herder, 1935. Gr.-8°. XII, 237 S). Donders bemüht sogar den lieben GOTT für die gegenseitige Nähe des heute fraglos als   antisemitischen Hetzer eingestuften Langbehn und des Rottenburger Bischofs: „Die Vorsehung Gottes führte den Bischof um die Jahrhundertwende mit einem Manne zusammen, dessen ausgesprochene Gabe und Veranlagung eine scharfe Beobachtung und Kritik der modernen Zeit war, mit Julius Langbehn.“ (138)

Das einzige, was Keppler an Langbehn auszusetzen hatte, war, dass er (anfangs) nicht pro-christlich genug war. Das sei das einzige, was ihm „zum Reformator fehlt“ (Dies schreibt Keppler in einer Besprechung des Langbehnschen „Rembrandt-Deutscher“-Buchs. Seine Besprechung war seinerzeit eine der ersten dieses Buches, in einer renommierten katholischen Bildungszeitschrift.

Dieser Vorbehalt Kepplers gegen Langbehn wurde  einige Jahre später nichtig; Langbehn konvertierte zur katholischen Kirche; sein wichtigster Adlat war lange Zeit ein Ordensgeistlicher.  

Keppler ließ  Langbehn nach dessen Tod  auf Bitten dieses Freundes, des Prämonstratenserpaters Momme Nissen,  einen Grabstein setzen,  mit der Inschrift: „Auch er war die Stimme eines Rufenden in der Wüste“. (Donders 143)  1926 verfasste  Keppler das Geleitwort für eine von Momme Nissen verfasste  Lebensbeschreibung  Langbehns  (Donders 143).

Nach einem Vortrag von M. Nissen über Langbehn am Sitz des Diözesanbischofs, in Rottenburg, sagte Bischof Keppler in einem Schlusswort zu diesem Vortrag, es sei seine Aufgabe, „die Sendung des verstorbenen  Langbehn zu Ende zu führen.“ Es leite ihn selbst und den Biographen Nissen „die Sorge, wertvolles katholisches Kulturgut davor zu bewahren, in Staub und Vergangenheit zu versinken. Sie beide wollten  „der geistigen Armut unserer Zeit abhelfen“, Keppler wird von Donders  so referiert: „Wenn von ihren (d.h. Nissens und Kepplers) Bemühungen Wellen geistiger Kraft ausgingen, zumal in die Kreise katholischer Akademiker, so wäre das für sie ein Lohn, der reichlich lohnet.“ (144)

Noch ein wenig aus der sonstigen Gefühlswelt Kepplers: 1903 sagte der Bischof  in einer Predigt in Rom: „Gott der Herr hat das germanische Wesen und das katholische Christentum für uns verbunden, und wir können nicht genug ihm hierfür danken. Beide bilden miteinander unseres Lebens Glück und Aufgabe.“ (Donders 79)

In seinem Buch „Mehr Freude“ spricht der Bischof ein Urteil über „die moderne Kultur“ (ein Urteil, in dem er mit Langbehn ebenfalls übereinstimmt): „Die moderne Kultur … hat den innersten Menschen … verarmt, verflacht und verödet ihn… Damit ist konstatiert, daß sie (sc. diese Kultur) im Mark faul und krank ist.“

Wer gern noch mehr  abgeschmackte Kulturkritik  liest, findet sie in Ansprachen des Bischofs, in aller Ausführlichkeit zitiert bei Donders, S.  148/9. Keppler-Originalton: „Fort mit dem Bildungsschwindel, Wissensschwindel, Freiheitsschwindel“.

Noch eine Kostprobe von Donders-Keppler: „1915, mitten im Kriegsgetümmel, riefen die deutschen  Bischöfe zur Weihe an das Heiligste Herz Jesu auf. Im mächtigen Ton der alttestamentlichen Propheten schrieb Bischof Keppler die tiefinnerliche Begründung dazu: ‚Auch in unser Vaterland ist eine ihrem ganzen Wesen nach unchristliche, undeutsche und ungesunde Überkultur bedenklich eingedrungen, mit ihrem äußeren Firnis und ihrer inneren Fäulnis, mit ihrer rohen Geldsucht und ehrlosem Nachäffen einer fremdländischen verseuchten Literatur und Kunst und auch der schändlichen Auswüchse der Frauenmode. Das ist unseres Volkes und daher auch unsere große und größte Schuld. Sie fordert Buße und Sühne.’“ – Ich möchte den Kern dieser Textpassage knapp so formulieren: Die Deutschen nahmen sich vor dem Krieg die Franzosen zum Vorbild. Das war  schrecklich. Diese Sünde muss mittels Krieg gebüßt werden.

Noch ein wenig in diesem Ton: „Wir freuen uns  von Herzen über all das Gute, Große, Heldenhafte, das der Krieg zwar nicht hervorgebracht, aber doch ans Licht gezogen, nicht gewirkt,  aber doch geweckt hat in unsern herrlichen Heeren und in unserem Volk daheim… Aber wir mussten zu unserem großen Schmerz feststellen, dass der Krieg doch auch auf sittlichem und religiösem Gebiet viele Verwüstungen angerichtet, auch in christlichen Gemeinden manchen schwachen Glauben geknickt, manchen kranken Willen gebrochen , die Jugend verwildert, Zucht und Ordnung gelockert hat.“

Schuld am Weltkrieg, so der Bischof, sind keinesfalls deutsche Politiker; der Weltkrieg ist ein Schicksalsereignis. In einem Hirtenbrief  zur Kriegszeit heißt es: „Da haben mit einem Mal die Schrecken des Krieges uns überfallen. Wie eine  schwarze Wetterwolke zog es herauf über unser Vaterland und ganz  Europa. Bange hielten die Völker den Atem an. … Bis zur letzten Stunde bot unser Kaiser in aufrichtigster Friedensliebe alles auf, um das Unheil abzuwehren. Seine Bemühungen wurden frevelhaft vereitelt, und es blieb ihm nichts übrig, als zum Schutze des Vaterlandes das ganze deutsche Volk unter die Waffen zu rufen.“  Dieser  Krieg, so Keppler kurz und klar:  ist  „gerecht und notwendig“ (Donders 170).

Ich fasse zusammen: Die Keppler-Biographie des Keppler-Freundes Donders  ist eine Fundgrube für Sätze, die heute in Deutschland kaum jemand gern aus dem Munde eines katholischen deutschen Bischofs hören möchte. Aber damals waren Antisemitismus, Nationalismus und eine bösartige Kulturkritik eben noch nicht so prall ihrer fatalen, letalen Folgen überführt wie inzwischen und die Akten der deutschen Regierung zum „Vorspiel“ des Ersten Weltkriegs waren noch nicht veröffentlicht.

zurück zur Seite: Bücher und Aufsätze NS-Ansichten

eMail:  Veit.Feger@t-online.de

zurück zur Hauptseite