„Ein gebildetes und literarisch berühmtes Schwesterleben"

Zwei außergewöhnliche Frauen: Journalistinnen, Schriftstellerinnen, weitgereist

Zwei Schwestern, Ottilie und Ludmilla Assing, 1819 - 1884 bzw. 1821 – 1880, verknüpfen zu ihrer Zeit Deutschland mit vergleichsweise neuen Massenbewegungen in Nordamerika und Italien. Ihre Lebensläufe kennen Höhen und vor allem Tiefen. Die beiden sind Beispiele für die nicht einfache Emanzipation von Frauen in der Mitte des 19. Jahrhunderts und für frühe journalistische Tätigkeit von Frauen. Die beiden Frauen waren mit zahlreichen kultur- und politik-relevanten Personen des 19. Jahrhunderts bekannt und berichteten über sie.

Die GEMEINSAME Zeit der beiden Schwestern

Die Mutter von Ottilie und Ludmilla Assing, Rosa Maria Assing, war eine geborene von Varnhagen, Schwester des bekannten Schriftstellers, Diplomaten, Rahel-Verehrers und Rahel-Ehemanns Karl August Varnhagen von Ense. ROSA MARIA Assing geborene Varnhagen (1783 – 1840) arbeitete mit dem deutschen Dichter, Schriftsteller und Weltreisenden Adelbert von Chamisso bei der Herausgabe von Gedichten zusammen; sie verfasste Gedichte und einen Roman. Maria Assing empfing in ihrem Haus in Hamburg prominente Gäste: Heinrich Heine, Friedrich Hebbel, Karl Gutzkow und andere Dichter des Jungen Deutschland.

Ihre beiden Töchter nahmen im Elternhaus an politischen Diskussionen teil und lernten so bereits als Jugendliche interessante Zeitgenossen kennen. - – Rosa Marias Ehemann war der aus einer jüdischen Königsberger Familie stammende, zum Protestantismus konvertierte, in Hamburg tätige gebildete Arzt David Assur Assing (1787 - 1842).

Nach dem Tod des Vaters ziehen die beiden Schwestern von Hamburg nach Berlin und wohnen bei ihrem Onkel Karl August von Varnhagen. Ottilie zieht später nach Hamburg zurück und wandert in den Fünfziger Jahren in die USA aus. Ludmilla wandert später nach Italien aus (oder: flieht dorthin).

Im folgenden etwas über die beiden getrennten Lebensläufe

Ludmilla Assing wird verfolgt, weil sie Tagebücher und Briefe ediert

Ludmilla arbeitet seit den Vierziger Jahren und verstärkt während der Revolution 1848/49 als Journalistin, was ihr (unter anderem auch geschlechtsbezogene) Anfeindungen einträgt.

Laut der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia" bleibt Ludmilla Assing bis zu Varnhagens Tod (1858) bei diesem ihrem Onkel und erbt seine umfangreiche Brief-, Tagebücher und Dokumentensammlung. Ab 1860 gibt sie die von ihrem Onkel erhaltenen und gesammelten Briefe Alexander von Humboldts und auch Tagebücher Varnhagens (insgesamt 14 Bde., 1862-1870) heraus. Diese Texte enthalten unter anderem vergleichsweise deftige Kritik an der preußischen Regierung. Daraufhin wird Ludmilla Assing angeklagt und, weil sie inzwischen in Italien lebt und zum Gerichtstermin klugerweise nicht erscheint, in Deutschland steckbrieflich gesucht. - Die preußische Regierung ließ 1860 die Varnhagenschen Tagebuch-Bände, soweit sie das Jahr 1848 betreffen, beschlagnahmen und setzte deren Verleger Brockhaus durch Zensurmaßnahmen unter wirtschaftlichen Druck (Quelle: Wikipedia). Ludmilla Assing wurde nach Deutschland vor Gericht vorgeladen, folgte der Aufforderung aber nicht und wurde in zwei Verfahren in absentia (1862) zu acht Monaten bzw. zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Ihr Wohnsitz war für die folgenden Jahrzehnte vorzüglich Florenz; dort blieb sie bis zu ihrem Tod, besuchte aber später, nach einer General-Amnestie 1866, mehrfach wieder ihre deutsche Heimat.

Public Relations für italienische Revolutionäre

Ludmilla reiste erstmals nach Italien in einer Gruppe, zu der der Arbeiterführer und Schriftsteller Ferdinand Lassalle und dessen Freundin Sophie Gräfin Hatzfeld gehörte. Ludmilla Assing setzte ihre in Deutschland begonnene Herausgeber- und Autorinnentätigkeit auch in Italien fort. Bücher von ihr erschienen in der Schweiz, in Deutschland (Hoffmann & Campe, Brockhaus) und in Florenz.

Ludmilla bewunderte die nationalistischen Revolutionäre Italiens (Sammelnamen „Risorgimento"). Sie schrieb für italienische und deutsche Zeitschriften politische Nachrichten; sie übersetzte italienische Bücher politischen und literarischen Inhalts ins Deutsche. Außerdem gab sie Briefe ihrer Tante Rahel Varnhagen geb. Mendelssohn heraus.

Auch ihr eigenes Werk kann sich sehen lassen: Schon vor 1848 hatte sie Feuilletons, später auch politische Berichte geschrieben. Ihre (anonym verfassten) Korrespondenzen aus Italien an deutsche Zeitungen bilden auch eine kleine Geschichte des Risorgimento. – Ludmilla hatte eine Liebesbeziehung zu einem der Aufständischen, Cironi (gestorben 1862), dann zu dessen Freund, einem verheirateten Mann; aus dieser Beziehung ging ein Kind, Carlo, hervor, das freilich wenige Wochen nach der Geburt starb.

Jahrzehntelang Briefwechsel mit Gottfried Keller

Die künstlerisch begabte Ludmilla Assing malte schon früh Pastellporträts von Varnhagens Besuchern. Am bekanntesten ist heute (nicht wegen der Malerin, sondern wegen des Abgebildeten) ein Pastellporträt Gottfried Kellers. Mit diesem Schweizer Schriftsteller und Dichter stand Ludmilla Assing über viele Jahre hin in einem herzlichen Briefwechsel. Die Dutzende überkommenen, teils recht langen Briefe stammen mehrheitlich aus der Feder von Ludmilla und sind auf einer schweizer Internet-Site über Gottfried Keller nachlesbar. - Diese - zufällig beim Surfen entdeckten - Briefe haben mich durch ihre freundliche, liebenswürdige, witzige, dem Dichter zugetane Diktion berührt und veranlassten mich, mich mit dem Leben von Ludmilla Assing und dann dem ebenfalls ungewöhnlichen Leben ihrer Schwester Ottilie zu befassen – und diesen hier vorliegenden Test zu notieren. (Dr. Nikolaus Gatter von der Varnhagen-Gesellschaft, zuständig dort unter anderem für deren großartige Website (http://www.varnhagen.info) verdanke ich zahlreiche liebenswürdige Hinweise auf Assing, ihre Beziehung zu G. Keller und eine schöne Bewertung seiner Briefe an Assing durch Julius Rodenberg: "Aus allen Briefen Kellers an sie, selbst den spätern, in welchen er sich über die rote Feder an ihrem Hut und ähnliche Torheiten der Alternden lustig macht, wird man einen Herzenston vernehmen, der wie Dank für Unvergessenes klingt."

Der Briefwechsel Assings mit Gottfried Keller war dadurch zustandegekommen, dass Keller Karl August Varnhagen in Berlin besuchte und dort dessen Nichte Ludmilla kennenlernte. Karl August Varnhagen war der erste oder einer der ersten Rezensenten von Kellers Hauptwerk „Der grüne Heinrich". Auch Ludmilla Assing besprach Romane von Gottfried Keller. Im Zusammenhang damit wandte sie sich an den Autor in Zürich.

Der Briefwechsel Assing-Keller dauerte mit teils größeren Unterbrechungen bis kurz vor den Tod von L. Assing und ist das für uns Heutige am leichtesten, weil per Internet zugängliche Text-Dokument aus ihrem Leben. Weder ihre zahlreichen journalistischen Texte, noch die von ihr verfassten Biographien (unter anderem die erste in Deutschland verfasste Lebensbeschreibung von Sophie Laroche, einer der ersten erfolgreichen deutschen Schriftstellerinnen), sind leicht zugänglich, erst recht nicht ihre Zeitungstexte und ihre auf italienisch verfassten Berichte und Bücher.

Ludmilla Assing und Gottfried Keller kommen in ihrem Briefwechsel auf verschiedene poetische Werke Kellers und auf zahlreiche Zeitgenossen zu sprechen, auf Werke und Menschen, die beide kannten. Von daher ist dieser Briefwechsel eine zeitgeschichtlich interessante Quelle. Die Briefe lassen uns auch ein wenig in die Seele von Ludmilla Assing blicken, etwa, wenn sie schreibt, dass ihr die Novelle „Romeo und Julia auf dem Dorfe" besonders naheging oder dass die Figur der „silbernen Agnes" (im Grünen Heinrich) sie aufs tiefste berühre.

Zu Assings Freunden oder Bekannten gehörten (laut Wikipedia) Ferdinand Lassalle, die aus Berlin stammende Emma Herwegh und ihr Ehemann Georg, Fürst Pückler, dessen literarischen Nachlass Ludmilla von diesem als Vermächtnis erhielt und herausgab, mit dem sie zahlreiche Briefe gewechselt hatte und dessen (vermutlich erste) Biographie sie schrieb.

Über Emma Herwegh, die Frau des Dichters und Revolutionärs G. Herwegh, selbst Revolutionärin, schreibt Ludmilla Assing: Sie war „die größte und beste Heldin der Liebe". (Diese Einschätzung kam über hundert Jahre später zu Ehren: Sie wurde im Jahr 2000 zum Titel einer Biographie von Emma Herwegh, verfasst von zwei Schweizerinnen.)

Ein Salon in Florenz und die Stiftung einer Schule

L. Assing war, wenn man die Fülle ihrer editorischen und journalistischen Arbeiten betrachtet, enorm fleißig. Sie konnte sich - vermutlich aus den Einnahmen dieser Tätigkeit - in Florenz ein Haus bauen lassen, in der Via Luigi Alamani. Dort entstand einer der wichtigen florentiner Salons jener Zeit. In Florenz lebte damals eine Reihe gebildeter, künstlerisch und schriftstellerisch tätiger Deutscher. Auch zahlreiche Italiener versammelten sich bei L. Assing. Durch ihre journalistische Tätigkeit trug sie dazu bei, dass italienische Schriftsteller in Deutschland bekannt wurden, u.a. der noch ganz junge, später international berühmt gewordene Giuseppe Verga.

Ihr persönliches Leben war gewiss nicht einfach: Ludmilla Assing heiratete als zweiundfünfzigjährige 1873 einen halb so alten Offizier, Grimelli; trennte sich aber bald wieder von ihm. Der geschiedene Mann brachte sich bald nach der Scheidung um. Dazu kam die bereits erwähnte Geburt eines Kindes, das bald nach der Geburt starb.

1880 vermachte sie ihre Papiere der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ihr Vermögen stiftete sie für die Gründung der Scuola Ludmilla Assing, die bis in die Ära Mussolini existierte.

Ihre von Cesare Sighinolfi gestaltete Grabbüste steht auf dem Friedhof der evangelischen Gemeinde von Florenz, Gli Allori, Via Senese.

Dass man sich in den letzten Jahren in Deutschland wieder eher an Ludmilla Assing erinnert, verdankt sich der in den Neunziger Jahren gegründeten Varnhagen-Gesellschaft und ihrem Verantwortlichen Dr. Nikolaus Gatter. Die Varnhagen-Gesellschaft hat u. a. vor einigen Jahren ein Symposium zum Thema „Ludmilla Assing" veranstaltet

Ottilie Assing, Freundin amerikanischer Farbiger

Ludmillas Schwester Ottilie verlor einen Großteil ihres Vermögens bei einem Theater-Bankrott des Schauspielers Jean Baptiste Baison 1849 in Hamburg. Das war wohl ein Grund für ihre Auswanderung in den fünfziger Jahren in die USA. Sie erwarb dort ihren Lebensunterhalt, indem sie aus den USA für deutsche Zeitungen Texte schrieb. Sie lernte in den USA den von einem weißen Vater und von einer farbigen Mutter stammenden Führer der Anti-Sklaverei-Bewegung Frederick Douglass kennen. (Colliers Enzyklopädie von 1986 nennt ihn „the leading black abolitionist and indeed one of the most famous orators oft the time"). Ottilie und Frederick kamen in engeren Kontakt, weil Ottilie 1856 für eine deutsche Zeitung Douglass interviewen sollte. Ottilie verliebt sich in den bereits verheirateten Frederick, dieser verliebt sich in Ottilie. Ihre Beziehung dauert über zweieinhalb Jahrzehnte. - Unter anderem übersetzt Ottilie eine der Autobiographien von F. Douglass („My Bondage and my Freedom") ins Deutsche.

Aus der Beziehung sind kaum Briefe oder andere Dokumente überliefert. Ottilie Assing hatte ihren Anwalt Dr. Kudlich testamentarisch beauftragt, nach ihrem Ableben ihren schriftlichen Nachlass zu verbrennen.

Eine Dreiecksbeziehung mit unschönen Einlagen

Douglass war verheiratet, mit einer farbigen Frau, Anna, die ihm bei der Flucht aus der Südstaaten-Sklaverei in den Norden geholfen hatte. Anna schenkte Douglass sechs Kinder. Sie wird beschrieben als Frau ohne Schulbildung, Analphabetin, sehr anders als die aus einer berühmten deutschen bildungsbürgerlichen Familie stammende Ottilie Assing. Ottilie äußerte sich in überkommenen Briefen unschön von oben herab über die Ehefrau von Douglass, an deren Stelle sie wohl gern getreten wäre („stupid old hag" – „dumme alte Hexe".- Ehemann Douglass und seine Geliebte Ottilie Assing verwenden in ihren Briefen den Namen „borderstate" („Nachbarstaat") als Übernamen für Fredericks Ehefrau).

Ottilie Assing an Ludwig Feuerbach

Eines der wenigen überlieferten persönlichen Zeugnisse von Ottilie ist ein Brief an den deutschen atheistischen Philosophen Feuerbach. Ottilie dankt in diesem Brief Feuerbach für seine Kritik des Christentums, eine Kritik, die sie, Assing, ihrem berühmten Freund Douglass nahegebracht habe und die diesen von etlichen Skrupeln befreite (Welche Skrupel das sind, erfahren wir in dem Brief nicht; möglicherweise waren es Skrupel von Douglass wegen seiner außerehelichen Beziehung; es war wohl auch nicht die einzige).

Frederick Douglass lässt Ottilie „sitzen"

18882 starb die Ehefrau von Douglass. Damit wäre die Bahn für Ottilie frei gewesen. Douglass heiratete aber 1884 nicht Assing, wie von dieser erwartet, sondern eine zwanzig Jahre jüngere weiße Frau, Douglass‘ Sekretärin Helen Pitts, die aus einer berühmten amerikanischen Familie stammte (Mayflower-Abkömmling, verwandt mit den Präsidenten John Adams und John Q. Adams). Douglass wandte gegen Kritiker dieser Heirat einer weißen Frau ein: „My first wife was the color of my mother, my second is the color of my father".

Ottilie Assing, an Brustkrebs erkrankt, erfuhr die Nachricht von der Wiederverheiratung ihres Geliebten 1884 in Paris. Sie tötete sich mit dem Gift Laudanum. Aufgefunden wurde ihre Leiche im Pariser „Bois de Boulogne", bestattet wurde sie in einem Vorort-Armengrab. Ihren Besitz hat Ottilie Assing testamentarisch ihrem Geliebten F. Douglass vermacht.

Frederick Douglass‘ Leben hat einen wichtigen Bezug zu seinen schwarzen Brüdern und Schwestern und einen seltsamen zu weiblichen US-Amerikanern: 1866 forderten US-Feministinnen, Schwarze sollen erst dann ein Wahlrecht erhalten, wenn auch Frauen das Wahlrecht erhalten. F. Douglass wollte ein solches Junktim nicht akzeptieren; ihm war das Wahlrecht für schwarze US-Amerikaner wichtiger als das für weiße weibliche Amerikaner. (Mir ist leider nicht bekannt, wie sich Fredericks weiße Freundin Ottilie zu diesem Konflikt stellte). - Die Frauenrechtlerin Victoria Woodhull wünschte sich 1872 bei ihrer Kandidatur für das Präsidentenamt der USA (der ersten Kandidatur einer FRAU in den USA für dieses Amt) Douglass als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten.

Erbstreit unter den Schwestern Ottilie und Ludmilla und Gottfried Kellers Kommentar

Überliefert ist eine sehr kritische Aussage der einen Schwester über die andere in einem Brief von Gottfried Keller an Ida Freiligrath, die Schwester des bekannten Freiheitsdichters. - Zum Hintergrund: Ottilie hatte sich von der 1880 verstorbenen Ludmilla einen höheren Anteil an deren Erbe erhofft, nicht nur deren Email-Schmuck und ein Wohnrecht in ihrem Florentiner Haus. Ludmilla gründete testamentarisch mit ihrem Erbe eine „Schule der Demokratie", die jahrzehntelang, möglicherweise bis zur neuen Schulpolitik unter Mussolini in den 30er Jahren, Bestand hatte. Gottfried Keller schreibt nun am 20. Dezember 1880 an die ihm befreundete Ida Freiligrath: Ein Brief von Ottilie aus New York an eine Familie in Zürich gebe einen „graulichen Einblick in ein gebildetes und literarisch berühmtes Schwesterleben". „Nichts als Verwünschungen und Schmähungen über die fast völlige Enterbung, welche Ludmilla gegen die teure Schwester verübt habe, und zwar nicht nur im letzten, sondern auch in einem früheren Testamente, das bei diesem Anlaß zutage gekommen sei." Als Ottiliens Aussage wird zitiert: Ludmilla sei „von jeher eine Erbschleicherin und Heuchlerin, eine von Eitelkeit und Größenwahn besessene Furie und noch Schlimmeres gewesen." („Kellers Briefe in einem Band", Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1967, S 288)

Ottilie wollte das Testament anfechten und beweisen, dass ihre Schwester geisteskrank gewesen sei, als sie das Testament verfasste. Ottilie wandte sich zwecks Nachweises der Geisteskrankheit unter anderem an Bertha Gutzkow, die Witwe des Schrifstellers Karl Gutzkow.

Der gerechten Beurteilung halber sei angefügt: Ottilie selbst hat in einem Testament, das sie schon vor dem Tod ihrer Schwester Ottilie in New York ausgefertigt hatte, dieser ebenfalls nur den Schmuck vererbt. Ihr Geld wollte sie ursprünglich ihrem Geliebten Frederick Douglass vermachen, aber nachdem Douglass sich heiratsmäßig „anders" orientiert hatte, vermachte sie es Tierschützern.

Ein vormals berühmter Journalist über Ludmilla Assing

Der zu seiner Zeit sehr bekannte deutsche Journalist Ludwig Pietsch schreibt in seinen Lebenserinnerungen („Wie ich Schriftsteller geworden bin") boshaft über Ludmilla Assing, sie sei einst in Berlin „die Seele des berühmten Salons in der Mauerstraße" gewesen. Ihr „längst nicht mehr jugendliches Mädchenherz" sei „von einer tiefen, rasch wachsenden, nicht zu bergenden leidenschaftlichen Neigung für Lassalle ergriffen worden", ,,welche die ebenso geistvolle als reizarme Dame zu den bedenklichsten, das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung hervorbringenden, phantastischen Toiletten-Extravaganzen veranlasste." (Aufbau-Verlag, 2000, S. 213f) - Über die beachtliche Tätigkeit Ludmilla Assings als Herausgeberin, Übersetzerin und Journalistin schreibt Pietsch in seinen Erinnerungen KEINE ZEILE.

Karl Marx schmäht Ludmilla Assing

Sehr schlecht kommt Assing auch weg bei Karl Marx, der sich in Briefen bekanntlich des öftern boshaft, ja bösartig und sogar antisemitisch äußert. In einem Brief an seine Cousine Antoinette Philips, datiert auf den 24. März 1861, stellt Marx von Berlin aus („Adresse: Dr. F. Lassalle") seine Tischgenossin Ludmilla als hässlichen, aufdringlichen Blaustrumpf dar: „Ich saß bei Tisch zwischen der Gräfin (sc. Hatzfeld, Lassalles Freundin) und Fräulein Ludmilla Assing, der Nichte von Varnhagen von Ense und Herausgeberin der Korrespondenz Varnhagens mit Humboldt. Dieses Fräulein, das mich mit ihrem Wohlwollen direkt überschwemmte, ist das häßlichste Geschöpf, das ich je in meinem Leben gesehen habe, mit einer garstigen jüdischen Physiognomie, einer scharf hervorspringenden dünnen Nase, ewig lächelnd und grinsend, immer poetische Prosa sprechend, ständig bemüht, etwas Außergewöhnliches zu sagen, Begeisterung heuchelnd und während der Verzückungen ihrer Ekstasen ihr Auditorium bespuckend. Ich werde heute gezwungen sein, diesem kleinen Scheusal einen Besuch abzustatten, das ich mit äußerster Zurückhaltung und Kälte behandelt habe und dem ich durch Freund Lassalle zu verstehen gab, dass die Anziehungskraft auf mich immer in zentrifugaler Richtung wirkt und dass ich, wenn ich eine Person sehr bewundere, ich mich meist aus ihrer Nähe wegzustehlen pflege." („Karl Marx in seinen Briefen, ausgewählt und kommentiert von Saul K. Padover", Beck, München 1981, S. 305)

Ein Jahr später, im April 1862, ist Marx nicht ganz so unfreundlich: Er bittet Lassalle „ausdrücklich, der Ludmilla mein Kompliment" über „die Herausgabe von Varnhagen-Briefen zu machen." (Marx / Engels, Über Kunst und Literatur, Frankfurt 1968, S. 530).

US-Amerikaner über Ottilie Assing und Frederick Douglass

Die Beziehung von Ottilie und Frederick wird geschildert von Maria Diedrich in „Love across Color Lines", New York 1999 (Diedrich lehrt Amerikanistik an der deutschen Uni Münster). Laut Diedrich schrieben sich Ottilie und Frederick in Phasen der Abwesenheit fast wöchentlich Briefe, überkommen sind aber nur wenige davon.

Die Biographie aus der Feder von Diedrich wird in einer englischsprachigen Rezension als dichterisch („fictional") eingestuft, begründet in der unbefriedigenden „Aktenlage". Dieser Mangel wird auch von der Autorin Diederich selbst bedauert.

Die Amerikanerin Jewell Parker Rhodes hat einen Roman über die Frauen von Douglass verfasst: „Douglass‘ Women".

Getrennt von Diedrichs Buch sind die wenigen überkommenen Briefe Assings an Douglass (28 Briefe aus den Jahren 1870 bis 1979) unter dem Titel „Radical Passion" von Christoph Lohmann herausgegeben, im Rahmen eines Bandes von journalistischen Arbeiten, die Ottilie Assing für deutsche Zeitungen verfasste.

 

Quellen u.a.: Veröffentlichungen der Varnhagen-Gesellschaft, Mitteilungen von Dr. Nikolaus Gatter, amerikanische und deutsche Websites, Briefsammlungen von Gottfried Keller und Karl Marx, Autobiographie Pietsch und mehr.

Veit Feger

eMail:  Veit.Feger@t-online.de

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